Clancy, Tom
Teheran,
sich hinter den Kulissen mit den schiitischen Militanten zu arrangieren. Wenn
also ihr Vormarsch unsere Rückzugspläne nicht verändert, dann haben sie schon
mal eine Vorstellung, wie wir reagieren.«
»Ich bin
anderer Meinung«, sagte Admiral Netters. »Wenn sie die Grenze überschreiten,
können sie nichts gewinnen, aber alles verlieren. Außerdem führen sie nur wenig
Luftabwehr-Artillerie mit.«
»Und das
bedeutet?«
»Sie
schicken nur so viel Luftabwehrausrüstung ins Feld, wie sie brauchen, um den
Anschein zu wahren.
Das
geschieht nicht aus Versehen. Denn eines wissen sie genau: Wenn wir angreifen,
kommen wir zuerst von den Flugzeugträgern im Golf.«
Sicherheitsberaterin
Ann Reynolds fragte: »Dann wollen sie uns damit nur etwas mitteilen?«
»Auch das,
Mrs. Reynolds, fällt in die Kategorie >Absichten<, aber so viel kann ich
Ihnen sagen: Trotz all ihrer Fehler sind die Iraner nicht dumm, und außerdem
sind sie treue Anhänger des sowjetischen Schlachtmodells, das sich sehr stark
auf mobile Luftabwehrsysteme stützte. Sie haben gesehen, was wir im Ersten und
Zweiten Golfkrieg gemacht haben, und das haben sie nicht vergessen. Man
riskiert nicht seine gesamten Luftabwehrsysteme, nur um damit anzugeben.«
»Und was
ist mit der übrigen Luftsicherung?«, fragte die Sicherheitsberaterin.
»Kampfflugzeuge?«
»Keine
Veränderungen«, antwortete Netters. »Sie fliegen nur ihre Routinepatrouillen,
sonst bewegt sich nichts.«
Präsident
Kealty runzelte die Stirn. Ein Haar in
seiner Suppe, dachte Netters. Der Mann hatte der Nation versprochen,
die amerikanischen Truppen aus dem Irak herauszuholen, und die Uhr lief - aber
nicht wegen der Truppen oder wegen Amerikas strategischem Nutzen, sondern wegen
Kealtys Chancen auf eine zweite Amtszeit. Natürlich hatte Netters von Anfang
an seine Bedenken im Bezug auf den Irakkrieg gehabt und hatte sie heute noch,
aber sie waren nichts im Vergleich zu der sehr realen Gefahr, dass die Dinge
dort aus dem Ruder laufen könnten. Ob es den Vereinigten Staaten gefiel oder
nicht, sie steckten jedenfalls bis zum Hals in allen Konflikten des Nahen und
Mittleren Ostens, heute womöglich noch tiefer als jemals zuvor in ihrer
Geschichte.
Eine
gefahrlose Truppenrückführung war ein Luftschloss, das Kealty einer
verständlicherweise kriegsmüden Wählerschaft verkauft hatte. Der gegenwärtige
Rückzugsplan würde zwar nicht funktionieren, aber er würde doch so gemächlich
ablaufen, dass der Irak ganz allmählich im Chaos versinken würde, statt abrupt
in die Anarchie zu stürzen. Netters hoffte nur, dass Kealty wenigstens dann
genug Verstand aufbringen würde, auf die Befehlshaber vor Ort zu hören.
In einer
Hinsicht hatte Kilborn allerdings recht: Die Geschichte an der Grenze mochte
sehr wohl eine Vorschau darauf sein, wie der Irak nach Kealtys Endspiel, also
nach Abzug der amerikanischen Truppen, aussehen würde. Über die Frage, ob die
Iraner tatsächlich eine Invasion wagen würden, sobald die Amerikaner abgezogen
waren, konnte man nur spekulieren. Aber wenn sie es taten, würden sie
sicherlich die auflodernde Gewalt zwischen Sunniten und Schiiten als Begründung
vorschieben.
Insgesamt
war es ein verblüffendes Spiel, das die Iraner spielten. Eine Verzögerung des
Truppenabzugs der Amerikaner musste doch den Interessen Teherans diametral
zuwiderlaufen — oder jedenfalls den Interessen, die man von Washington aus
erkennen konnte.
Kealty lehnte
sich zurück und legte die Fingerspitzen aneinander. »Nun denn, Admiral, da Sie
nicht gewillt sind, über Absichten zu reden, werde ich das mal für Sie tun«,
begann Kealty. »Die Iraner sind Säbelrassler. Stellen unsere Entschlossenheit
auf die Probe. Wir ignorieren sie einfach, halten uns weiter an unseren Rückzugsplan
und schicken ihnen unsere eigene Botschaft.«
»Und die
lautet?«, fragte Admiral Netters.
»Noch eine
Gruppe Flugzeugträger.«
Eine
Botschaft. Noch eine Mission ohne Ziel. Zwar traf es zu, dass
Flugzeugträgergruppen vor allem eine Demonstration der Macht waren, aber diese
Vorstellung war im Grunde auch nichts anderes als eine normale Sicherheitsregel
beim Umgang mit Waffen: Richte niemals eine Waffe auf ein Lebewesen, wenn du
nicht entschlossen bist, auch zu schießen. Doch Kealty wollte nur ein wenig
mit dem Revolver herumfuchteln.
»Welche
Kräfte stehen uns dort zur Verfügung?«, wollte Kealty wissen.
Bevor
Netters antworten konnte, mischte sich Kilborn ein: »Die Stennis
Weitere Kostenlose Bücher