Clancy, Tom
ist ja ein verdammt
großer Schatten, wie wir wissen. Wenn er genau weiß, was er hier tun will, wird
er auch einen Weg finden, um es seinem Dad beizubringen.«
Mithilfe
eines Zollangestellten lud Musa den Behälter auf die Ladefläche seines
gemieteten Subaru Outback, winkte dem Inspektor zum Abschied und fuhr zum Tor
hinaus. Natürlich machte sich Musa jetzt nicht auf den langen Heimweg nach
Calgary, wie er dem Zollinspektor weisgemacht hatte, sondern fuhr stattdessen
25 Kilometer nach Osten bis in den Vorort Surrey und auf den Parkplatz des
Holiday Inn Express. Er fand einen Stellplatz direkt vor seinem
Erdgeschosszimmer und verbrachte den Rest des Tages damit, zwischen seinen
Nickerchen von einem dämlichen Fernsehkanal zum nächsten zu zappen, bevor er
schließlich bei CNN hängen blieb. Sein Zimmer hatte WLAN-Internetzugang, also
musste er der Versuchung widerstehen, sich mit seinem Laptop einzuloggen und
nach einem Update zu schauen. Er hatte eine externe Festplatte mit den aktuellen
Einwegschlüsseln und der neuesten Entschlüsselungssoftware dabei - die er beide
nicht wirklich verstand -, aber es war nicht sinnvoll, sich jetzt noch in eine
ihrer Satelliten-Websites einzuloggen, wenn die Operation bereits so weit
fortgeschritten war. Die nächste vorgesehene Kontaktaufnahme war morgen
Mittag, und selbst sie würde nur kurz sein. Solange er nichts Gegenteiliges
hörte, würde er einfach annehmen, dass alles andere nach Plan lief.
Musa
starrte an die Decke, blendete den Fernsehton aus seinem Bewusstsein aus und
ging seine innere Checkliste durch. Er kannte die Entfernungen und Strecken
auswendig, und seine Dokumente würden nur bei einer extrem rigorosen
Überprüfung als gefälscht erkannt werden. Der Zollinspektor am Flughafen war
zwar eine Hürde gewesen, aber er war harmlos, verglichen mit den
Sicherheitsmaßnahmen in den USA. Die Polizei dort war neugierig, gründlich und
äußerst wachsam. Andererseits würden, so sagte sich Musa, sowohl die Staats-
wie die Bundesbehörden Amerikas in wenigen Tagen eine Menge Arbeit bekommen,
und er wäre dann an seinem Zielort.
Er döste vor sich hin, bis ihn seine Armbanduhr um 19.00 Uhr
weckte. Er setzte sich auf und rieb sich die Augen. Durch die zugezogenen
Vorhänge konnte er sehen, dass es draußen dämmerte. Er schaltete die Nachttischlampe
an. Auf dem Bildschirm befragte ein Nachrichtenmoderator einen
Wall-Street-Typen zum Zustand der amerikanischen Wirtschaft. »Ist die Talsohle
jetzt erreicht?«, fragte er. »Geht das Land jetzt in die Aufschwungphase
über?« Idioten. Amerika hat die Talsohle noch
nicht erreicht. Aber bald.
Musa ging
ins Bad, spritzte sich Wasser ins Gesicht und zog seine Jacke an. Er stellte
sich in die Mitte des Zimmers, überlegte, ging ins Bad zurück und holte sich
einen Waschlappen von der Handtuchstange. Im Rückwärtsgehen wischte er damit
alle Oberflächen ab, die er berührt hatte: Waschbecken, Toilettenbrille,
Spülung, Lichtschalter ... Zuletzt kamen Nachttisch, Fernbedienung und die
Lampe dran. Für das Zimmer hatte er schon bezahlt, also musste er nicht mehr an
die Rezeption. Dort hatte man ihm gesagt, er könne die Schlüsselkarte einfach
im Zimmer hinterlegen. Er wischte sie ab und deponierte sie dann auf dem
Fernseher. Er stopfte sich den Waschlappen in die vordere Hosentasche. Was
noch? Hatte er etwas vergessen? Nein, er hatte an alles gedacht. Er ging
hinaus, schloss die Tür hinter sich und ging um den Subaru herum. Der Behälter
war noch da. Er schloss auf, stieg ein und ließ den Motor an.
Er fuhr aus dem Parkplatz hinaus, auf den Highway 1 und dann
35 Kilometer bis zur Abfahrt auf den Fräser Highway, auf dem er zehn Kilometer
bis zur 264th Street blieb. Dann bog er nach Süden ab; vier Minuten später sah
er voraus die Flutlichter. Das war der Grenzübergang 13/539, ein
kleeblattförmiges Straßenkreuz genau auf der kanadisch-amerikanischen Grenze.
Musa fühlte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte, aber er fuhr weiter.
Wenige
Hundert Meter vor dem Grenzübergang teilte sich die Straße; links ging es
weiter zum Übergang, die rechte Spur bog auf die Straße ein, die auf seiner
Karte Zero Avenue hieß und nach Westen führte. Er stellte seinen
Kilometerzähler auf null und warf einen Blick in den Rückspiegel. Niemand
hinter ihm. Er beschleunigte den Subaru bis an die zulässige
Höchstgeschwindigkeit, wurde wieder ein bisschen langsamer und schaltete den
Tempomat ein.
Seltsam,
dachte er, dass diese
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