Clancy, Tom
richtete die Mine mit dem einfachen Visier auf der Oberseite.
Gut. Er hatte die ideale Schussposition ausgesucht. Die
Explosion würde nicht nur den Eingang und die Treppe, sondern auch den
Bürgersteig treffen.
Er
aktivierte die Funkfernzündung der Mine. Dann stand er auf und ging davon.
Wie es
seine Gewohnheit am Wochenende war, stand Hank Alvey am Sonntag früh auf und
holte leise die drei Kinder aus den Betten, machte ihnen Haferflocken und
Blaubeerwaffeln zum Frühstück und setzte sie vor den leise gestellten
Fernseher, damit sie sich Comics anschauen konnten. Die Regenwolken der
letzten Nacht waren weitergezogen, der Himmel war jetzt strahlend blau.
Sonnenlicht strömte durch die Wohnzimmerfenster und über den Parkettboden, auf
dem die Kinder saßen und entrückt auf den Fernseher starrten.
Kurz vor
7.00 Uhr machte er Sauerteigtoast und Kaffee für Katie und weckte sie mit dem
Frühstück am Bett. Der Reifenservice, den er leitete, hatte sonntags geschlossen,
also war das der einzige Tag, an dem er seine Frau bei dem ablösen konnte, was
ansonsten ein Sieben-Tage-pro-Woche-Job gewesen wäre. Es war, wie sie ihm oft
versicherte, so romantisch und so sexy von ihm, ihr die Kinder abzunehmen,
damit sie länger schlafen konnte — und sonntagabends, wenn die Kinder im Bett
waren, demonstrierte sie ihm meistens, wie sehr sie diese kleine Geste
schätzte.
Aber das
kam später, ermahnte Hank sich, als er den Kaffee eingoss und neben den frisch
gebutterten Toastscheiben auf das Tablett stellte. Meistens schaffte er es
nicht ganz, das Bett zu erreichen, bevor Katie sich zu ihm umdrehte und ihm ein
verschlafenes Lächeln schenkte. So auch heute.
»Was
gibt's zum Frühstück?«, fragte sie lächelnd.
»Rate
mal.«
»Oh,
köstlich.« Sie setzte sich auf und schob die Kissen hinter ihren Rücken. »Was
hast du mit den Kindern angestellt — sie in den Schrank gesperrt?«
»Sie sehen
sich Yo Gabba Gabbai an. Ich
glaube, Jeremy ist in Foofa verknallt.«
Katie biss
in den Toast. »Wer ist das?«
»Dieses
rosa Blumen-Blasen-Dings.«
»Ach so.
Gehen wir in die Kirche?«
»Sollten
wir. Wir haben die letzten beiden Sonntage geschwänzt. Wir könnten in den
Neun-Uhr-Gottesdienst gehen und nachher mit den Kindern in den Park.«
»Okay, ich
mach mich hübsch.«
»Abgemacht«,
sagte Hank und ging zur Tür. »Ich lasse sie dann wieder aus dem Schrank raus.«
Katie war schon unten, komplett mit
Frisur und Makeup, bevor Hank den Kindern die Schuhe angezogen hatte. Josh,
der älteste, konnte sie schon selbst binden, aber Amanda und Jeremy noch nicht,
also übernahmen Hank und Katie das. Dann brachen sie auf, suchten Jacken und
Autoschlüssel, sahen noch mal nach, dass die Hintertür abgeschlossen war. Der
Regen hatte aufgehört, und die Sonne brannte bereits heiß vom Himmel.
»Wir
kommen zu spät«, rief Katie.
Hank sah
auf die Uhr. »Es ist noch nicht mal Viertel vor. Wir sind ja in fünf Minuten
da. Okay, Kinder, auf geht's ...«
Dann fiel
die Tür hinter ihnen zu.
Kaseke saß einen halben Häuserblock nordwestlich der Kirche
an einer Bushaltestelle auf einer Bank und trank den dritten Becher Kaffee an
diesem Morgen. Von hier aus hatte er den perfekten Blick auf die
Eingangstreppe. Da. Die Türen
öffneten sich, und die Menschen begannen herauszuströmen. Kaseke sah auf die Uhr:
8.48 Uhr. Und schon kam auf dem Weg vom Parkplatz hinter der Kirche eine Reihe
von Besuchern des Neun-Uhr-Gottesdienstes. Vorneweg ging ein junges Paar mit
drei Kindern, zwei Jungen und einem Mädchen. Die drei hielten einander an den
Händen und hüpften vor ihren Eltern her. Kaseke presste die Augenlider zusammen
und betete zu Allah um Kraft. Es war notwendig. Und die Kinder waren ja so
klein, dass sie sofort sterben würden, so schnell, dass sie keine Zeit haben
würden, Schmerz zu empfinden.
Die Gruppe
der Ankommenden erreichte das Ende des Fußwegs und den Vorplatz um die
Eingangstreppe. Kaseke sah auf die Uhr. Keine Minute mehr.
Einhundert
Meter von der Mine entfernt, konnte er nicht sehen, dass sie sich gerade bewegt
hatte. Erst später, nach seiner Festnahme, würde die Polizei ihm erklären,
was schiefgegangen war.
Die Claymore-Mine hatte erst im Regen und dann in der
Morgensonne gestanden. Das Kerzenwachs, mit dem Kaseke die Rattengift-Pellets
fixiert hatte, hatte durch die Temperaturunterschiede Risse bekommen. Das
alleine hätte die Funktion der Mine noch nicht beeinträchtigt, aber Kaseke
wusste nicht, dass
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