Clancy, Tom
diese Claymore und acht weitere über zwanzig Jahre alt waren
und die letzten acht davon unsachgemäß in einer Holzkiste in einer feuchten
Höhle oder im sonnendurchglühten Boden der afghanischen Provinz Nagarhar
gelagert worden waren.
Mit dem
Kerzenwachs bekam auch die Harzschicht darunter, die längst spröde wie ein
Glückskeks war, Risse, auch wenn sie nur wenige Millimeter tief waren. Das
reichte allerdings aus, um einen Teil der Kugellagerkugeln aus dem Harz zu
lösen. Mit kleinen tinkelnden Geräuschen, die im Stimmengewirr auf der
Kirchentreppe natürlich niemand hörte, fielen 14 Kugeln heraus und in die
untere Gehäusehälfte der Mine. Wenn es nicht seit dem letzten Nachmittag fast
ununterbrochen geregnet hätte, dann wäre auch dadurch die Mine nicht beeinträchtigt
worden, aber die Standbeine, die sie im jetzt regendurchweichten Boden aufrecht
gehalten hatten, sanken nun unter dem geringen Gewicht der fallenden Kugeln
ein. Um 8.49 Uhr neigte sich Kasekes sorgfältig ausgerichtete Claymore-Mine in
einem Winkel von 45 Grad nach vorn. Die Hälfte der Vorderseite zeigte zum
Erdboden, die andere Hälfte auf den Beton. Sekunden später drückte Kaseke auf
den Funkauslöser.
Als sie später im Krankenhaus aufwachte, waren Katie Alveys
erste Gedanken: Mein Mann ist tot und Ich glaube, meine Kinder leben, gefolgt von der Erkenntnis, dass
der blinde Zufall bei beidem eine große Rolle gespielt hatte.
Als
Kasekes Mine nach vorn kippte, stieg die Familie Alvey zusammen mit Dutzenden
anderer Nachzügler gerade die Eingangstreppe hinauf. Hank ging neben der Hecke
an der Seite der Treppe, Josh und Amanda links von ihm, dann kam Katie mit
Jeremy an der Hand.
Zeugen
beschrieben die Explosion später als eine Art Brausen, dem ein Hagel aus der
Hölle folgte. Katie sah und hörte nichts davon, blickte aber gerade zufällig in
Hanks Richtung, als die Claymore-Mine explodierte. Von den 700 Kugeln der Mine
drangen etwa 400 in die Erde, rissen einen Krater hinein und schlugen ein meterbreites
Stück aus dem Beton. Der Rest der Kugeln schlitterte entweder auf dem Beton
entlang, durchschlug dabei Füße und Waden, zerschmetterte Knochen und riss
Fleischfetzen heraus, oder prallte vom Beton ab und prasselte in
unterschiedlichen Winkeln und Bahnen quer über die Treppe. Wer das Pech hatte,
von diesen Kugeln getroffen zu werden, starb entweder sofort oder wurde
schrecklich verstümmelt. Hank Alvey, dessen Körper seinen älteren Sohn und die
Tochter abschirmte, wurde von mehreren Kugeln am linken Unterkiefer getroffen,
sein Kopf wurde in drei Teile zerrissen. Katie sah das mit an, hatte aber keine
Zeit zu reagieren, eines der Kinder an sich zu ziehen oder Jeremy mit ihrem Körper
zu schützen. Wie sich später herausstellte, war das auch nicht nötig.
Katie
stand blinzelnd da. Ihre Ohren waren von der Explosion betäubt, ihr Gehirn
konnte das Blutbad um sie herum noch nicht erfassen. Josh, Jeremy und Amanda
waren genauso betäubt, aber das ging schnell vorbei, und dann flossen die
Tränen. Die Stufen waren voller Blut, abgerissener Arme und Beine und
unidentifizierbarer Fetzen von ... wem? Sie erkannte niemanden. Unzählige
Menschen lagen kreuz und quer auf dem Beton. Manche regten sich nicht mehr,
andere wanden sich vor Schmerzen, versuchten davonzukriechen oder ihre Angehörigen
zu erreichen; die Münder bewegten sich, ohne dass ein Laut herausdrang.
Dann
setzte Katies Gehör wieder ein, und sie hörte die Schreie. Und die Sirenen.
Nachdem sie sich vergewissert
hatten, dass alle Vorhänge zugezogen waren, machten sie im ganzen Haus das
Licht an. Danach rief Jack Pasternak an und teilte ihm mit, dass er den Van in
die Garage stellen konnte. Ein paar Minuten später kam der Doktor in die Küche
und blieb wie angewurzelt stehen. »Ist er das?«
»Nein, das
ist Tariq, der Leibwächter des Emirs«, antwortete Jack.
Es hatte
zehn Minuten gedauert, nur seinen Namen aus ihm herauszubringen. Ansonsten
schwieg er tapfer. Chavez und Domingo durchsuchten gerade den Rest des Hauses,
hatten aber bisher nichts Interessantes gefunden. Es hätte auch das Vorführhaus
einer Baufirma sein können.
»Anscheinend
haben wir den Boss selbst nur knapp verpasst«, sagte Jack.
»Sie
setzen sich am besten ins Wohnzimmer, Doc. Wir rufen Sie dann.« Er nahm neben
Clark am Tisch Platz. Tariq saß ihnen genau gegenüber. Sie hatten seine Hände
an den Gelenken mit Klebeband zusammengebunden und dann seine Füße mit
Isolierband an ein
Weitere Kostenlose Bücher