Clancy, Tom
Locus, wurde
zwar benutzt, war aber immer noch erst die Betaversion. Aus diesem Grund
stattete die NSA ihre Abhörcomputer mit Mainframes von Sun aus, die zwar an
sich mächtig genug waren, aber gegen diese Flut von Nachrichten kaum mehr
bewirken konnten als Sandsäcke gegen einen Tsunami. Und was noch schlimmer
war: Wenn die Endversion von Execute Locus erst einmal online ging, war sie
schon wieder beinahe veraltet, was hauptsächlich Sequoia, dem neuen
Megacomputer von IBM, zu verdanken war.
Jack hielt
sich eigentlich für recht technologiekundig, aber die Kapazität von Sequoia
sprengte jede Vorstellungskraft: Sequoia war schneller als alle fünfhundert
stärksten Supercomputer der Welt zusammen und konnte 20 Billiarden
mathematische Prozesse pro Sekunde durchführen. Statistische Daten dieser
Dimension sind nur durch einen vereinfachenden Vergleich begreifbar: Würde man
jeden einzelnen der 6,7 Milliarden Menschen dieser Erde mit einem
Taschenrechner ausstatten und würden alle zusammen 24 Stunden lang an jedem Tag
des Jahres ununterbrochen einen Rechenvorgang durchführen, dann würden sie mehr
als dreihundert Jahre brauchen,
um die Rechenleistung zu schaffen, die Sequoia in einer einzigen Stunde erbrachte. Der Nachteil bei der
Sache war, dass Sequoia noch nicht ganz marktreif war: Nach dem letzten Bericht
benötigte der Computer 96 Gehäuse von Gefrierschrankgröße, die die Wohnfläche
eines großen Hauses einnahmen, insgesamt 318 Quadratmeter.
Die Wohnfläche eines großen, zweistöckigen Hauses, dachte
Jack. Dann: Vielleicht veranstalten sie Hausführungen?
Bell
unterbrach seine Gedanken: »Und warum halten Sie diese Sache für wichtig?«
»Warum
verschlüsselt jemand eine Nachricht über eine Geburt?«, fragte Ryan zurück.
»Und wir haben sie mit ihrem internen Schlüssel geknackt. Okay, vielleicht
haben auch Schurken Familien und Kinder, aber es fällt doch auf, dass keine
Namen genannt werden, weder die Mutter noch der Vater noch das Baby. Der Text
klingt einfach zu steril.«
»Das
stimmt«, meinte Bell.
»Und noch
eins: Im Verteiler der Mail steht ein neuer Adressat, und er benutzt einen
anderen Internetprovider. Vielleicht sollten wir da mal einen Blick darauf werfen.
Vielleicht ist er mit seinem Datenschutz oder bei seinen Finanzangelegenheiten
weniger vorsichtig als die anderen.«
Bisher
stammten alle E-Mails der »French Connection« von Internetprovidern, die
Cloaking-Methoden anwandten, oder von E-Mail-Konten, die eingerichtet, aber nur
kurz benutzt wurden, sodass am anderen Ende nur noch ein Geist zurückbleibt.
Weil aber sämtliche Mails von ausländischen Providern stammten, hatte der Campus
keine Handhabe, bei den Providern eine virtuelle Hausdurchsuchung vorzunehmen.
Hätten die Franzosen mit so einer Sache zu tun, würden sie einfach beim
Provider anrücken und die Kontendaten überprüfen. Und dann würden sie
wenigstens eine Kreditkartennummer finden. Sie könnten dann die Adresse für
die Kontoauszüge feststellen, sofern die Kundendaten nicht falsch angegeben
worden waren, aber selbst dann könnten sie eine Nutzerverfolgung starten und
die Informationen bruchstückweise zusammentragen. Damit wären sie dann wieder
bei der Puzzle-Theorie angelangt: eine Menge kleiner Teilchen, aus denen sich
am Ende ein großes Bild ergab. Wenn man Glück hatte.
»Könnte
ein wenig Hacken bedeuten, aber vielleicht finden wir genug, um diesen Burschen
mal genauer zu durchleuchten.«
»Ist wohl
den Versuch wert«, stimmte Bell zu. »Bleiben Sie dran.«
Für Ibrahim war die Nachricht von der Geburt eine nette
Überraschung. In dem anscheinend unschuldigen Satz versteckten sich drei
Botschaften: Bei seiner Aufgabe in Lotus stand die nächste Phase bevor, die
Protokolle für die Kommunikation würden bald geändert, und ein Kurier sei
bereits unterwegs.
Es war
später Nachmittag in Paris, und auf den Straßen herrschte der übliche
Stoßverkehr. Das Wetter war freundlich. Die Touristen waren wieder da, vor
allem die Amerikaner - sehr zur Freude der Geschäftsleute, während es die
Pariser stoisch, aber leicht verärgert zur Kenntnis nahmen -, um Essen und
Weine zu genießen und die Sehenswürdigkeiten zu bewundern. Viele kamen heutzutage
auch aus London, nach der Kleidung ließ sich ihre Herkunft nicht mehr
unterscheiden. Die Taxifahrer hetzten mit ihren Fahrgästen durch die Stadt und
gaben ihnen ein wenig Nachhilfe in der Aussprache, wenn sie nicht gerade über
die Trinkgelder murrten - die
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