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Clancy, Tom

Clancy, Tom

Titel: Clancy, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dead or Alive
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erfüllte es ihrer Meinung nach alle
Kriterien für ein unübersehbares und unheilschwangeres Omen.
    Aber egal.
Omen blieben rätselhaft, und ihre Bedeutung hing immer von ihrer Auslegung ab.
In diesem Fall hatte der Name des Motels für sie wahrscheinlich keine
Bedeutung, ihr Klient war viel zu sehr in sie verknallt, als dass er für sie
eine Bedrohung hätte sein können, ob direkt oder indirekt. Ihre bevorstehende
Aufgabe erforderte wenig Denkarbeit, denn sie war hervorragend dafür
ausgebildet. Außerdem war es hilfreich, dass Männer so einfache, leicht zu
durchschauende Geschöpfe waren, die nur von primitivsten Bedürfnissen geleitet
wurden. »Männer sind wie Lehm«, hatte Olga, ihre erste Lehrerin, ihr einmal
erklärt, eine Lebensweisheit, die Allison schon im zarten Alter von elf Jahren
selbst bestätigt gefunden hatte - in den begehrlichen Blicken der Jungs im
Dorf und sogar in den Blicken mancher älterer Männer, die ständig an ihr
klebten.
    Schon
bevor sie ihre erste Regel hatte und ihr Körper aufzublühen begann, hatte sie
instinktiv geahnt, welches der beiden Geschlechter nicht nur das schönere,
sondern auch das stärkere war. Männer mochten physisch stark sein, was seine
Vorteile hatte und Vergnügen bereitete, aber Allison besaß eine andere Art von
Stärke, die ihr bisher immer gute Dienste geleistet hatte. Es war eine Kraft,
durch die sie in gefährlichen Situationen überlebt und die ihr in harten Zeiten
gut über die Runden geholfen hatte. Inzwischen hatte sie ihr Dorf weit hinter
sich gelassen, und jetzt, mit 22 Jahren, wurde sie durch ihre Stärke allmählich
wohlhabend. Und was noch besser war: Im Gegensatz zu vielen früheren Kunden
hatte ihr gegenwärtiger Auftraggeber von ihr keinen Probelauf verlangt. Ob das
nun seinen Grund in den rigiden religiösen Wertvorstellungen dieser Männer
hatte oder einfach nur ihre Professionalität bewies, konnte sie nicht
beurteilen, aber sie hatten jedenfalls ihre Referenzen ohne Weiteres
akzeptiert. Sie war ihnen sogar empfohlen worden, obwohl ihr selbst unklar
blieb, von wem die Empfehlung stammte. Bestimmt von jemandem mit Einfluss. Sie
hatte eine spezielle Ausbildung durchlaufen müssen, was strengste Geheimhaltung
erfordert hatte.
    Sie fuhr
am Parkplatz des Motels vorbei, kurvte einmal um den ganzen Block und kam in
entgegengesetzter Richtung wieder zurück. Sie hielt nach allem Ausschau, das
nicht normal wirkte, nach allem, das ihre Intuition wecken könnte. Sie
entdeckte sein Auto, einen blauen Dodge Pick-up, Baujahr 1990, der zwischen
einem halben Dutzend anderer Autos stand, fast alle mit Kennzeichen aus
diesem Staat, mit Ausnahme eines Wagens aus Kalifornien und eines weiteren aus
Arizona. Endlich war sie überzeugt, dass alles in Ordnung war, und fuhr zu
einer Tankstelle, wo sie den Wagen wendete. Sie fuhr zum Motel zurück, auf den
Parkplatz und stellte das Auto zwei Plätze von seinem Dodge entfernt ab. Im Innenspiegel
überprüfte sie kurz ihr Make-up, nahm zwei Kondome aus dem Handschuhfach, warf
sie in ihre Handtasche und ließ die Tasche mit leichtem Lächeln zuschnappen. Er
begann sich bereits über die Kondome zu beklagen. Angeblich wollte er nichts
zwischen ihr und ihm haben, aber sie hatte widersprochen und ihm erklärt, dass
sie damit noch warten wolle, bis sie sich besser kannten und sich vielleicht
auch auf Geschlechtskrankheiten hatten untersuchen lassen, bevor sie sich so
nahe kamen. Doch beides - Vertrautheit oder Vorsicht - waren nicht die
wirklichen Gründe für ihr Zögern. Ihr Auftraggeber hatte sie sehr gründlich
vorbereitet, hatte ihr ein detailliertes Dossier über den Mann gegeben, von
seinen Essgewohnheiten bis hin zu seinen früheren Beziehungen. Vor ihr hatte er
zwei Freundinnen gehabt, eine Schulfreundin aus der Highschool, die ihn
zwischen seinem ersten und dritten Studienjahr hatte sitzen lassen, und ein
weiteres Mädchen kurz nach seinem College-Abschluss. Auch das war eine kurze Affäre
gewesen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er sich eine Geschlechtskrankheit geholt
haben könnte, war äußerst gering. Nein, die Benutzung eines Kondoms war nur ein
weiteres Werkzeug ihrer Kunst. Sein Verlangen nach größerer Nähe war ein
Bedürfnis, und Bedürfnisse waren nichts anderes als Ansatzpunkte für den
Hebel. Wenn sie endlich »nachgab« und zuließ, dass er sie ohne Schutz nahm,
würde sie ihn danach umso besser im Griff haben.
    Wie Lehm, dachte sie.
    Aber sie
würde die Sache nicht mehr sehr lang hinauszögern

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