Clancy, Tom
Dunstkreis. Und jetzt habe ich so eine irre
Vorstellung, dass Charakterstärke doch irgendwie zählt. Und dass politisches
Manövrieren nicht alles ist.«
»Darin ist
er verdammt gut, Arnie, das muss sogar ich zugeben. Arnie, willst du nicht hier
runterkommen, damit wir reden können?«, fragte Ryan. Warum sonst würde Arnie an
einem Freitagmorgen anrufen?
»Ja, okay,
dann war mein Anruf wohl nicht raffiniert genug.«
»Flieg
hier runter. Du weißt doch, du bist in meinem Haus immer willkommen.«
Cathy warf
mit leiser Stimme ein: »Wie wär's am Dienstag? Zum Abendessen.«
»Wie wär's
am Dienstag zum Abendessen?«, gab Jack den Vorschlag weiter. »Du kannst bei uns
übernachten. Ich sage Andrea Bescheid, dass du kommst.«
»Tu das.
Ich habe immer ein bisschen Angst, dass diese Frau eines Tages auf mich
schießt, und so gut wie sie ist, wird sie sich vermutlich nicht mit einem
Streifschuss zufriedengeben. Wir sehen uns dann so gegen zehn.«
»Abgemacht,
Arnie. Bis bald.« Jack legte das Telefon weg und stand auf, um Cathy zur Garage
zu begleiten. Cathy war in eine neue Klasse aufgestiegen. Sie fuhr jetzt einen
zweisitzigen Mercedes, hatte aber kürzlich auch zugegeben, dass ihr die
Hubschrauberflüge auf den Campus der Hopkins University fehlten. Als Ersatz
spielte sie jetzt die Rennfahrerin, und ihrem Leibwächter Roy Altman blieb
nichts anderes übrig, als sich auf dem Beifahrersitz verzweifelt
festzuklammern. Der Mann nahm seinen Job ernst. Jetzt stand er bereits neben
dem Wagen, das Jackett aufgeknöpft, das Paddle Holster war zu sehen.
»Guten
Morgen, Dr. Ryan«, begrüßte er sie. »Hi, Roy. Wie geht's den Kindern?«
»Danke,
gut, Ma'am.« Er öffnete ihr die Fahrertür. »Einen produktiven Tag, Jack.« Und
der übliche Morgenkuss.
Cathy
stieg ein, legte den Gurt an und startete das Zwölf-Zylinder-Biest, das unter
der Haube schlummerte. Sie winkte ihm kurz zu und setzte den Wagen rückwärts
aus der Garage. Jack schaute ihr nach, bis sie unten in der Ausfahrt
verschwand, wo die beiden Begleitfahrzeuge auf sie warteten. Dann ging er
durch die Küchentür ins Haus zurück.
»Guten
Morgen, Mrs. O'Day«, grüßte er.
»Guten
Morgen, Mr. President«, antwortete Special Agent Andrea Price-O'Day, Jacks
persönliche Agentin. Sie hatte einen etwas über zwei Jahre alten Sohn namens
Conor, ein Prachtjunge, wie Jack wusste. Conors Vater war Patrick O'Day, Major
Case Inspector für FBI-Direktor Dan Murray, eine der noch von Jacks Regierung
vorgenommenen Ernennungen, die Kealty nicht antasten konnte, weil das FBI
nicht zum politischen Fußball werden durfte - oder jedenfalls nicht werden
sollte. »Wie geht's dem Kleinen?«
»Gut. Er
weiß nur noch nicht, was er mit dem Topf anfangen soll. Fängt an zu weinen,
sobald er ihn sieht.«
Jack
lachte. »Das war auch bei Jack so. Arnie kommt am Dienstag gegen zehn Uhr am
Morgen und bleibt dann zum Abendessen und über Nacht.«
»Gut - ihn
müssen wir ja nicht allzu gründlich überprüfen«, antwortete Andrea. Trotzdem
würden sie seine Sozialversicherungsnummer durch die Datenbank des National
Crime Information Center laufen lassen, um ganz sicherzugehen. Der Secret
Service traute nur wenigen Menschen, selbst in den eigenen Reihen, seit Aref
Raman die Seiten gewechselt hatte. Das hatte damals dem Service tatsächlich
große Bauchschmerzen bereitet. Aber Andreas Ehemann hatte dazu beigetragen, die
Sache zu regeln, und deshalb würde sich Raman sehr, sehr lange im
Bundesgefängnis in Florence, Colorado, aufhalten müssen. Florence war die
grimmigste aller Bundesstrafanstalten und verfügte über die absolut maximale
Sicherheit, da es tief und vollständig unterirdisch in die Felsen gebaut war.
Die im Knast von Florence beherbergten Gäste bekamen das Sonnenlicht nur auf
ihren Schwarz-Weiß-Fernsehern zu sehen.
Ryan
kehrte in die Küche zurück. Er hätte sie noch weiter ausfragen können. Der
Service behielt viele Geheimnisse für sich. Er hätte sogar eine Antwort bekommen,
doch weil er auch einmal Präsident gewesen war, gehörte das zu den Dingen, auf
die er leicht verzichten konnte.
Außerdem
musste er sich wieder an die Arbeit machen. Er goss sich noch eine Tasse
Kaffee ein und machte sich auf den Weg zu seinem Arbeitszimmer, um weiter an
Kapitel 48, Abschnitt 2 zu arbeiten, George Winston und das Steuersystem. Das
hatte gut funktioniert, bis Kealty beschlossen hatte, dass manche Leute nicht
»ihren gerechten Anteil« zahlten. Und natürlich bestimmte Kealty
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