Clancy, Tom
den Medien und planten eine große öffentliche
Demonstration des Mitgefühls auf der Washington Mall. Mitleid für die Opfer
dieser Killer und Kidnapper zogen sie natürlich nie in Betracht, doch die
Ablehnung der Todesstrafe war für sie ein tief verwurzeltes Prinzip, das Ryan
eigentlich im Grunde respektierte.
Der
Expräsident atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Er musste sich wieder an
die Arbeit machen. Seit zwei Jahren schrieb er an seinen Memoiren und befand
sich bereits auf der Zielgeraden. Die Arbeit war ihm besser von der Hand
gegangen als erwartet, sogar so gut, dass er seiner Autobiografie bereits eine
vertrauliche Notiz angefügt hatte, in der er verfügte, dass sie erst zwanzig
Jahre nach seinem Tod ans Licht der Öffentlichkeit gebracht werden dürfe.
»Wo bist
du grade?«, fragte Cathy, die an ihren Tagesplan dachte. Sie hatte vier
Laseroperationen vor sich. Der für sie abgestellte Geheimdienstagent hatte
bereits alle Patienten durchleuchtet, falls einer plante, mit einer Pistole
oder einem Messer in den OP-Saal zu kommen, was so extrem unwahrscheinlich war,
dass Cathy längst keinen Gedanken mehr daran verschwendete. Oder vielleicht
verschwendete sie nur deshalb keinen Gedanken mehr daran, weil sie wusste, dass
sich ihr Bodyguard tatsächlich darüber
Sorgen machte.
»Was?«
»Im Buch«,
erklärte sie.
»In den
letzten Monaten.« Seine Steuer- und Finanzpolitik, die sogar recht gut
funktioniert hatte, bis Kealty mit dem Flammenwerfer angerückt war.
Und jetzt
wurstelten sich die Vereinigten Staaten unter der Präsidentschaft - oder
vielmehr der Herrschaft - von Edward Jonathan Kealty eben irgendwie durch,
einem Mann, der mit dem Silberlöffel des Aristokraten im Mund geboren worden
war. Früher oder später würde die Sache wieder zurechtgerückt werden, dafür
würde das Volk schon sorgen. Aber der Unterschied zwischen einem Mob und einer
Herde war, dass der Mob gewöhnlich einen Führer hatte. Das Volk brauchte
eigentlich keinen Führer. Das Volk kam ganz gut ohne ihn aus - weil irgendwann
und irgendwie ein Führer erscheinen würde. Und wer wählte den Führer? Das Volk
natürlich.
Aber das
Volk wählte sich den Führer gewöhnlich aus einer Liste von Kandidaten, und die
mussten selbst zur Kandidatur entschlossen sein.
Das
Telefon klingelte; Jack nahm ab.
»Hallo?«
»He,
Jack.« Die Stimme klang sehr vertraut. Jacks Augen leuchteten auf.
»Hi,
Arnie. Wie ist das akademische Leben?«
»Wie zu
erwarten. Heute schon die Nachrichten gelesen?«
»Die
Marines?«
»Was
hältst du davon?«, fragte Arnie van Damm. »Sieht wirklich übel aus.«
»Ich
glaube, es ist noch schlimmer, als es aussieht. Die Journalisten erzählen nicht
die ganze Geschichte.«
»Haben sie
das je getan?«, fragte Jack bitter.
»Nein,
schon gar nicht, wenn sie ihnen nicht gefällt, aber es gibt auch ein paar
integre Leute in dieser Zunft. Bob Holtzman von der Post leidet gerade heftig unter Gewissensbissen. Hat mich
angerufen. Will mit dir darüber reden, wie du die Sache siehst - vertraulich,
natürlich.«
Robert
Holtzman von der Washington Post gehörte zu
den wenigen Journalisten, denen Ryan beinahe vertraute, vor allem, weil er
Ryan gegenüber immer aufrichtig gewesen war, teilweise aber auch, weil er ein
ehemaliger Marineoffizier war - ein 1630er, der Code der Navy für einen
Nachrichtenoffizier. Er mochte zwar mit Ryan in den meisten politischen Fragen
nicht übereinstimmen, hatte sich aber stets als integrer Mann erwiesen. Holtzman
wusste einiges über Ryans Hintergrund, das er nie veröffentlicht hatte, obwohl
er manches davon zu recht pikanten Storys hätte verarbeiten können, vielleicht
sogar zu solchen, die seiner Karriere einen kräftigen Schub hätten geben
können. Aber vielleicht sparte er sie sich nur für ein Buch auf. Holtzman hatte
schon mehrere Bücher veröffentlicht, eines davon war ein Bestseller geworden,
und er hatte damit recht ordentlich verdient.
»Was hast
du zu ihm gesagt?«, erkundigte sich Jack.
»Nur, dass
ich dich fragen würde, aber dass du wahrscheinlich nicht einfach Nein sagen
würdest, sondern verdammt noch mal Nein.«
»Arnie,
ich mag den Burschen, aber ein Expräsident kann nicht auf seinen Nachfolger
einprügeln ...«
»Selbst
dann nicht, wenn er ein Scheißkerl ist?«
»Selbst
dann nicht«, bestätigte Jack bitter. »Oder vielmehr dann erst recht nicht.
Aber warte mal. Ich dachte, du magst ihn? Was ist passiert?«
»Vielleicht
war ich zu lange in deinem
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