Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Clara

Clara

Titel: Clara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koller
Vom Netzwerk:
bemalten Händen zwei Gitterstäbe und stierte sie weiterhin an.
Das gab ihr den Rest. Sie verstummte. Die Panik hatte sie völlig gelähmt. Sie
glitt zu Boden und kauerte sich neben den Kleiderschrank. Ich ging weiter und
brachte die Zylinder in die Schleuse. Nach und nach schaffte ich Wasser,
Lebensmittel, Sand, frisches Toilettenpapier und noch einige andere Dinge in
den Raum und stellte alles neben der Zellentür ab. Clara hatte sich unterdessen
nicht gerührt. Starrte, von Todesangst getrieben, vor sich hin. Ja, es war ein
Schock, ins Angesicht des Teufels zu blicken.
    Nun, ich
hatte meinen Spaß gehabt. Als ich mit dem Warentransport fertig war, nahm ich
die Maske langsam ab und verstaute sie in einer der Taschen meiner Nato-Jacke.
Ein kurzes Augenblinzeln war zu erkennen.
    »Stehen Sie
jetzt auf, Clara«, sagte ich in höflichem Ton.
    Keine
Reaktion. Nur Apathie. Einen kurzen Moment zögerte ich, dann brüllte ich los.
Der ganze Keller dröhnte. »Auf mit Ihnen! Ich sag’s nicht noch einmal !« Sie erschrak. Riss die Augen
weit auf und schien in die Welt zurückgekehrt zu sein. Oder zumindest in das,
was davon übrig geblieben war. Langsam erhob sie sich. Zitternd am ganzen Leib.
Ich nahm die Handschellen ab und bedeutete ihr herzukommen. Wieder dieses
Entsetzen in ihrem Gesicht. Sie wollte zurückweichen, doch sie stand ja bereits
an der Mauer. Ich versuchte es im Guten.
    »Hören Sie.
Ich muss jetzt da rein, um Ihnen diese Sachen hier zu bringen. Aber ich will
kein Risiko eingehen. Verstehen Sie? Darum muss ich Sie kurz an den Stäben
festmachen. Es wird Ihnen nichts passieren .« Um etwas
Vertrauen aufzubauen, lächelte ich sie leicht an. Doch sie stand nur da und
schüttelte unentwegt den Kopf. Störrisch wie ein Kind. Ich bohrte nach. »Sie
müssen mir hier helfen, ansonsten kann ich nichts für Sie tun. Oder soll ich
diese Sachen wieder mitnehmen ?« Immer noch diese
verstörten, glasigen Augen. Immer noch dieses Kopfschütteln. Mir platzte der
Kragen. »Wenn ich hier unverrichteter Dinge rausgehe«, herrschte ich sie an,
»werden Sie sterben. Elend verrecken. Und glauben Sie ja nicht, das würde mich
auch nur im Geringsten scheren. Also, k-o-m-m-e-n Sie jetzt her.« Endlich
reagierte sie. Ließ meine Worte offenbar auf sich wirken. Zögerlich kam sie
näher. »Nur Mut«, scherzte ich. »Satan ist ja schon weg .«
    Clara fand
das offenbar gar nicht komisch. Ganz im Gegenteil. Sie sah mich plötzlich mit
einem feindseligen Blick an. Na bitte, das Eis war gebrochen. Da war sie wiederzuerkennen . Die arrogante, hochnäsige Clara Bergmann.
Wortlos streckte sie mir die beiden Hände entgegen. Als ich die Fesseln
anbrachte, berührte ich sie ganz bewusst. Fühlte diesen Körper, diese zarte
Haut. Spürte die Zerbrechlichkeit. Wir waren uns nun ganz nah. Bei vollem
Bewusstsein. Ich schaute direkt in ihre Augen. Sie wich nicht zurück. Das
überraschte mich. Vielmehr schien sie mich zu mustern. Und ich bemerkte, wie
ihr ein Licht aufging. Sie erinnerte sich wieder. Zurück an Heiligabend und an
unsere fatale Begegnung.
    »Was wollen
Sie von mir ?« , waren die ersten Worte, die sie an mich
richtete. Doch ich gab keine Antwort. Legte nur meinen rechten Zeigefinger über
meine Lippen. Begleitet von einem eindeutigen Gesichtsausdruck. Ich sperrte die
Tür auf und musterte den Raum. Leere Lebensmittelverpackungen lagen im
»Überlebens-Schrank«. Ich hatte nachlässigerweise auf den Mülleimer vergessen.
Nun, man konnte schließlich nicht an alles denken. Ich schritt zum
Reinigungsschrank und anschließend zum Kleiderkasten. Beide waren mehr schlecht
als recht aufgeräumt. Was konnte man von einer verwöhnten Göre auch schon groß
erwarten? Sie würde es lernen. Ja, sie würde es garantiert lernen. Die Toilette
bedurfte ebenfalls einer gründlicheren Reinigung. Das Bett war zerwühlt. Ich
strich über einige Gegenstände und machte jede Menge Staub aus.
    »Ich hatte
Sie doch darauf hingewiesen, hier für Ordnung und Sauberkeit zu sorgen. In
Ihrem eigenen Interesse. Davon ist aber leider sehr wenig zu sehen. Ich
wünsche, dass Sie sich nach meinem Verschwinden umgehend an die Arbeit machen.
Klar ?«
    »Ich h-a-b-e
sauber gemacht«, entgegnete sie trotzig. Ja, beinahe aufmüpfig. Was würde als
Nächstes kommen? »Was geht Sie das an ?« Ich durfte
keinen Zweifel an meiner Autorität aufkommen lassen. Wütend trat ich dicht an
sie heran. Mit fester, gesenkter, bedrohlicher Stimme verschaffte ich mir
Gehör, während

Weitere Kostenlose Bücher