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Clara

Clara

Titel: Clara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koller
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nur Kleinigkeiten,
die sie in Summe jedoch an ihre Grenzen trieben. In einem der Schränke lag
beispielsweise ein bereits mit einer Schlinge versehenes Seil. Bei den Büchern,
meist Kriminalromane, fehlten die entscheidenden letzten Seiten. Die DVDs waren immer wieder einmal zerkratzt. Auf manchen
Lebensmittelverpackungen prangten schwarze Totenköpfe, die Beschreibung war in
einer fremden Schrift. Das Wasser hatte einen unangenehmen Geschmack, der
unwillkürlich an Gift erinnerte.
    »Was habe
ich Ihnen denn getan, dass Sie mich so hassen !« , hatte
sie mehr als einmal in den Raum gerufen. Doch nie war eine Reaktion gekommen.
    Anfangs
hatte Clara Schwierigkeiten mit dem Gaskocher gehabt. Aus der Not heraus kam
sie schließlich doch damit zurecht und hatte so zumindest eine warme Mahlzeit
am Tag. Diese erzwungene Selbständigkeit gab ihr aber auch Kraft. Eine Kraft,
die sie hier haben musste. Denn hier gab es niemanden, der ihr half. Trotz der
Rationierung, die sie sich von Beginn an selbst auferlegt hatte, gingen die
Lebensmittel zur Neige. Auch die Toilettenzylinder scharten sich bereits vor
dem Gitter und ein mehr als widerlicher Gestank breitete sich aus. Das faulige
Wasser ging ebenfalls zu Ende.
    » Will
mich dieser Sadist hier verrecken lassen ? « , dachte sie voller Angst bei
sich. » Hat er sich die viele Mühe gemacht, um mich hier sterben zu sehen ? « Und plötzlich
kam ihr ein noch viel grauenvollerer Gedanke. » Bin ich etwa nicht die Erste,
die all das hier erleidet ? « Anzeichen dafür gab es keine direkten. Aber was hieß das schon? Die Wände waren
frisch getüncht. Der Boden konnte leicht gewaschen werden. Auch die Gitter
hatten einen neuen Anstrich erhalten. Etwa, um das Blut zu verdecken? Die Möbel
waren abgewohnt, aber nicht beschädigt. Clara konnte durchaus nicht die erste
Bezieherin dieses fragwürdigen Etablissements gewesen sein. Doch das war jetzt
nicht die Frage. Sie brauchte dringend neue Lebensmittel. Und der Mann, der sie
beschaffen sollte, war noch immer nicht aufgetaucht. Die Lebensversicherung.
Sie hatte Angst vor dieser Begegnung, sollte sie denn überhaupt stattfinden.
Angst vor dem, was er ihr alles antun würde. Schläge, Erniedrigung,
Vergewaltigung, Folter, Mord.
    All diese
Wörter geisterten seit Tagen in ihrem Kopf umher. Hingen wie das bedrohliche
Damoklesschwert über ihr. Und dennoch. Wie schlimm es auch immer kommen würde.
Er musste endlich hier erscheinen. Nachdem sie wieder etwas aufgetaut war und
die Raumtemperatur erträglich wurde, begab sie sich zur Wasserwanne und
besorgte ihre morgendliche Toilette. Das Wasser war trüb und mit einem
schmierigen Film überzogen. Doch sie konnte es nicht wegleeren. Zu kostbar
erschien ihr diese stinkige Suppe. Sieben Tage, und aus ihr war ein Tier
geworden. Sie blickte in den Spiegel. Sieben Tage, und ein Monster schaute ihr entgegen. Kein Lidschatten, kein Rouge, kein
Lipgloss. Nur Tränensäcke unter den Augen, aufgesprungene Lippen und ein
ungesunder Teint waren geblieben. Sieben Tage, und sie war ihre eigene Putzfrau
und Köchin geworden. Sie ging zum Kleiderschrank und wechselte den
Jogginganzug. Sehnsüchtig griff sie nach ihrem Pelzmantel. Sehnsüchtig blickte
sie auf ihre Pumps und schlüpfte in die Filzpantoffel. Sieben Tage, und ein
Freak war aus ihr geworden. Genauso ein Freak wie all
diese Idioten, die mit Digicams und selbst gemalten
Transparenten hinter den Absperrungen standen und wie die Tiere kreischten.
Sieben Tage, und der Griff an der Stahltür senkte sich
hinab.

Kapitel 4 –
Begegnung

 
    1

 
    Als ich
eintrat, hatte mich die Unwirklichkeit dieser Kammer fast umgehauen. Während
ich auf die Toilettenzylinder zuging, hatte Clara zu schreien angefangen. Ich
blieb stehen und starrte sie an. Clara stand mit dem Rücken zur Wand. Ihr
Gesicht war vor Entsetzen verzerrt. Vom hysterischen Geschrei gepeinigt. Ich
musste ein wahrlich bizarres Bild abgegeben haben. Denn ich hatte über meinen
Kopf eine Maske gestülpt. Eine eng anliegende, diabolische Teufelsmaske. Sie
wirkte so echt, als stände Satan persönlich vor einem. Ich hatte sie auf einem
meiner Streifzüge durch Wien in einem schäbigen Laden entdeckt. Genauso wie die
Handschellen, die ich an einer Gürtelschlaufe meiner Hose angemacht hatte. Ja,
die nachmittäglichen Streifzüge in Erwartung von Claras abendlichen Auftritten
waren sehr ergiebig gewesen. Und abwechslungsreicher als die langen Wachen vor
ihrem Anwesen.
    Ich umfasste
mit meinen rot

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