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Clara

Clara

Titel: Clara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koller
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und ließ den Schlitten vor und wieder zurück gleiten.
    »Fünfhundert
Euro, mit sechzig Schuss«, kam es von meinem Gegenüber. Ein halber Monatslohn.
Trotzdem war das sehr günstig. Ich griff in meine Jackentasche und zog die
Hunderter einzeln aus dem Futter. Dann erhoben wir uns. Ich steckte die Pistole
unter meine Kleidung und folgte der Frau, die mir die Eingangstür öffnete. Dort
wurde mir auch die Munition überreicht. Ich wollte noch etwas zum Abschied
sagen, doch das Schloss war bereits wieder eingerastet. Mein erster und
wiederum auch letzter Kontakt mit der Unterwelt. Ohne jeden Nervenkitzel, ohne
Glanz und Abenteuer. So nüchtern und steril wie die Realität, mit der ich
konfrontiert war.

 
    5

 
    Es war
Heiligabend, und die Sonne verschwand langsam hinter dem Gebäude, gegenüber dem
ich mich befand. Der Villa der Bergmanns. Frohe Weihnachten, Arschlöcher. Seit
gut fünf Stunden wartete ich bereits auf die Rückkehr von Clara. Sie hatte am
Vormittag das Anwesen mit ihrem roten Mercedes verlassen. Durch die getönten
Scheiben war sie kaum zu erkennen gewesen. Das Grundstück war gut gesichert.
Hohe Steinmauern, automatisches Stahlgittertor, Kameras, die den ganzen
Bürgersteig im Blick hatten. Einbrecher hatten hier einen schweren Stand.
Gegenüber lagen einige kleinere Stadtvillen mit normalen Heckenzäunen und
teilweise frei zugänglichen Hauszufahrten. Die Besitzer, meist
Wirtschaftsleute, flüchteten an Wochenenden und Feiertagen zu ihren Familien
aufs Land. Oder vor den Fotografen, die das Anwesen der Bergmanns hin und
wieder belagerten. Vor allem, wenn Clara mal wieder für Aufregung gesorgt
hatte.
    Heute war
alles ruhig. Die Presse nahm sich eine kurze Auszeit, die Anrainer waren wie
üblich verreist. Nur eines der vier Häuser schien nicht verwaist zu sein. Jenes
ganz am Ende der Straße. Als ich am Vormittag hier eingetroffen war, hatte ich
meinen Wagen hinter dem Mülltonnenverbau am anderen
Ende der Straße geparkt und mich in einem Garten hinter einer Hecke versteckt.
So wie schon so oft. Der Verbau verbarg meinen Wagen völlig und war auch dann
nicht zu sehen, wenn man direkt vor den Mülltonnen stand. Ich stand also völlig
unbehelligt hinter meiner leicht beschneiten Hecke und wartete ab. Die Sonne
war längst untergegangen, und die Kälte wurde langsam unerträglich. Wo blieb
sie so lange? Auf ihrer Website hatte man keinerlei Termine verlautbart. Meine
Gedanken begannen zu kreisen. Führten zu dem Tag, an dem ich sie im Fernsehen
erblickt hatte. Führten zu meinem Entschluss, sie zu bestrafen. Führten zu
meiner Jagd nach ihrer Nähe, die entrückter schien denn je. Führten zu meiner
Verzweiflung über mein Dasein, über mein Schicksal. Führten zu der Kellerwohnung,
wo ich eine Waffe wie eine Flasche Wasser erstanden hatte. Führten hierher
zurück, wo ich auf sie wartete.
    Endlich
näherte ihr Wagen sich. Die Zusatzlichter vor dem Tor gingen an. Für einen
Moment geschah gar nichts, dann wurde die Hupe betätigt. Nochmals. Nochmals.
Immer ungeduldiger. Adrenalin schoss mir durch den Körper. Etwas stimmte nicht.
Das Tor ging nicht zur Seite. War die Fernbedienung im Eimer? Dann stieg sie
aus. Blondes, wallendes Haar, schwarzer Pelzmantel, der ihren offensichtlich sehr
kurzen Rock verbarg, schwarze Nylons, goldene Pumps. Wütend schritt sie zum Tor
und begann, in ihrer Tasche zu kramen. Offensichtlich suchte sie den Schlüssel,
der in Kombination mit einem Zahlencode das Tor öffnete. Wieder passierte
nichts. Der Mechanismus schien der Kälte Tribut zu zollen. Zornig drückte sie
die Gegensprechanlage. Keine zwanzig Meter von mir entfernt. Als sie
schließlich ihr Handy aus der Tasche zog, rannte ich los. So, wie ich es schon
Tausende Male im Kopf durchgespielt hatte. Im vollen Lauf holte ich eine
Schimaske aus der linken Jackentasche und zog sie über. Aus der rechten brachte
ich ein mit Chloroform getränktes Tuch zum Vorschein. Als sie mich hörte,
drehte sie sich ruckartig um. Doch es war schon zu spät. Wuchtig stieß ich sie
gegen die Mauer und drückte ihr unbarmherzig den Lappen aufs Gesicht. Sie
wehrte sich, doch mein eiserner Griff und das Betäubungsmittel zeigten schon
nach wenigen Sekunden Wirkung. Wie in Ekstase umklammerte ich ihren Körper,
begrub ihn unter meinem eigenen. Ich spürte nicht den Schmerz ihrer anfänglich
noch starken Schläge. Auch nicht das Blut, das mir ihre langen Fingernägel aus
dem Leib kratzten. Ich war fixiert, ja beinahe hypnotisiert von

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