Clara
vorstellen, wieviel Segen … ach ja, in dem Zusammenhang wollte ich mal mit dir über Opa reden …«
Die Haustür klappte. »Jemand zu Hause?«
Christian verdrehte die Augen und stand auf.
»In der Küche«, rief Gabi und erhob sich ebenfalls.
Peter Keller kam herein, in der linken Hand zwei Plastikbeutel, mit der Rechten packte er Gabi um die Taille, zog sie zu sich heran und küßte sie. »Hallo, meine Schöne!« Dann ohne aufzusehen: »’n Abend, Christian.«
Gabi strahlte. »Und was sind das für Tüten?«
»Ich bin beim Chinesen vorbeigefahren. Ich dachte, wir könnten heute mal oben essen, nur wir beide.«
»Ich bin sowieso schon weg«, bellte Christian.
Peter lachte. »Sei doch nicht gleich eingeschnappt, Kumpel. Ich denke, dir geht diese WG auch auf den Geist. Sorge lieber dafür, daß deine Mutter mich endlich heiratet. Dann hättest du nämlich demnächst die Bude da oben ganz für dich allein.«
Gabi machte sich frei. »Fang nicht wieder damit an, Peter.«
15
»Liebe Frau Kommissarin, Sie verstehen doch sicherlich, daß ich die meditative Übung mit den jungen Leuten jetzt nicht abbrechen kann, um mich mit Ihnen zu unterhalten.« Sein gütiges Lächeln war wie in Beton gegossen.
»Nein, das verstehe ich nicht!« Astrid war blitzwütend. Seit nachmittags um vier hatte sie x-mal hier im Haus Barbara angerufen, um ihren Besuch anzukündigen, aber es war immer besetzt gewesen. Wahrscheinlich hatten sie den Hörer ausgehängt. Und jetzt hatte sie sich zehn Minuten lang die Finger wund geklingelt und geklopft, bis endlich dieser Kauz in seiner lächerlichen Kutte erschienen war. Sie hatte schon Helmut anrufen wollen, schließlich war Christian irgendwo da drinnen, und das Haus war stockfinster, verriegelt und verrammelt und ganz schön unheimlich.
»Ich habe Ihnen gerade gesagt, daß ich in einem Mordfall ermittele, und da kann ich nicht warten, bis es Ihnen in den Kram paßt. Sind Sie der Leiter hier?«
»Ja, ich bin der Hirte des Hauses.« Er rang die Hände. »Kommen Sie herein.«
Sie folgte ihm zögernd in die hohe, düstere Halle. Nur ein paar Pechfackeln an den Wänden spendeten flackerndes Licht. Der Mann bat sie nicht weiter hinein. »Worum geht es denn?«
»Ralf Poorten«, gab sie forsch zurück.
»Ach ja, davon habe ich gehört, aber ich wüßte nicht, wie wir Ihnen da weiterhelfen könnten.«
»Soviel ich weiß, hat er mehrfach an Ihren Seminaren hier teilgenommen.«
»Das ist richtig.« Er fuhr mit der Hand unter die Kutte und zauberte eine Taschenuhr hervor. »Sie sollten mit meiner Frau sprechen. Ich denke, sie müßte mit den Mädchen schon in der Stille sein.«
Astrid hatte jedes Wort gehört, aber nichts verstanden. »Stille?«
Er sah sie nachsichtig an. »Nach der Meditation schweigen wir bis zum Morgengebet«, erklärte er. »Bitte warten Sie einen Moment, ich hole meine Frau.«
»Augenblick noch. Ihre Frau ist bei den Mädchen, sagten Sie. Heißt das, daß die Jugendlichen hier nach Geschlechtern getrennt werden?«
»Selbstverständlich.« Der Fackelschein spiegelte sich in seinen Augen. »Während der Exerzitien sind sie in verschiedenen Flügeln des Hauses untergebracht.«
»Keine gemeinsamen Mahlzeiten, gar nichts?«
Wieder lächelte er. »Wir fasten. Heute haben wir gemeinsam gespeist, und jetzt bleiben wir getrennt bis zum Mahl am Sonntag. In dieser Zeit fasten wir, und die Türen bleiben verschlossen. Aber jetzt muß ich wirklich gehen.«
Er entfernte sich schnell und lautlos. Astrid sah ihm nach, er war barfuß. Sie zog die Schultern zusammen, im Haus war es totenstill. Verschlossene Türen? Konnte man auch nicht nach draußen?
Die Frau trug die gleiche graue Kutte. Sie war gut einen Kopf kleiner als Astrid, und das blonde Haar reichte ihr bis über die Hüften.
»Guten Abend«, sagte sie leise und streckte Astrid ihre schmale Hand entgegen. »Bitte, kommen Sie mit.« Eine Stimme wie Seidenpapier.
Sie führte Astrid in ein Arbeitszimmer und schaltete die Schreibtischlampe ein – der Lampenschirm war aus gegerbter Haut. Es gab also doch elektrisches Licht.
»Nehmen Sie Platz«, deutete sie auf den Ledersessel und setzte sich gegenüber hin, so daß ihr Gesicht im Halbschatten war. »Ich habe von Ralfs Schicksal gehört, aber bis gerade eben wußte ich nicht, daß er eines gewaltsamen Todes gestorben ist. Sie müssen verzeihen, aber ich habe mich immer noch nicht gefaßt.«
»Erzählen Sie mir von Ralf Poorten«, lehnte Astrid sich zurück.
Ein
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