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Clara

Clara

Titel: Clara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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ganz plötzlich krank geworden. Wir bedauern das sehr. Wenn sie dabei ist, ist alles anders.«

16
    Helmut Toppe nahm sich eine Auszeit. Hin und wieder kam es vor, daß er keinen Menschen sehen und hören, nur mit sich selbst sein wollte. Schon am Freitag abend, als er auf Astrids aufgeregten Bericht über Haus Barbara kaum reagiert hatte, sondern sich für zwei Stunden in die Badewanne verzog, wußte sie, daß es mal wieder so weit war.
    »Ach, der Herr hat mal wieder seine Tage«, meinte Gabi, und Astrid wunderte sich über die Bissigkeit.
    »Laß ihn doch. Er meint es nicht böse. Manchmal braucht er das einfach.«
    »Na ja, heute kann mir das ja auch egal sein. Aber früher, als die Kinder klein waren und er sowieso schon so gut wie nie zu Hause war, als ich ihn gebraucht habe, da ist mir das verdammt an die Nieren gegangen.«
    So verlief der Samstag sehr ruhig. Aus Toppes Zimmer hörte man den ganzen Tag lang leise Musik, zweimal kam er kurz raus, um sich in der Küche ein Brot zu machen und was zu trinken zu holen. Astrid schlief lange und frühstückte dann ausgiebig mit Gabi und Oliver. Sie legten ein kleines italienisches Menü für die Einweihung fest, delikat aber nicht zu feudal, vor allem nicht zu teuer; ihr Budget würde auch in den nächsten Monaten noch reichlich knapp sein. Später schrieb Astrid ihren Bericht über die Leute, die das reine Herz anbeteten, einen sehr ausführlichen Bericht, weil es ihr Spaß machte. Am Nachmittag fühlte sie sich gut genug für den überfälligen Pflichtbesuch bei ihren Eltern. Schließlich konnte sie nicht ewig die Eingeschnappte spielen.
    Sie erwischte genau den richtigen Tag. Ihre Eltern hatten vormittags einen »kleinen Empfang« gegeben, »nur für die engsten Freunde«, »ein erfolgreicher Geschäftsabschluß«, und ihr Vater war in Sektlaune. Es fiel keine einzige Bemerkung über ihren »alternden Galan« oder ihren Lebenswandel im allgemeinen.
    Als sie gegen sieben zurückkam, war sie mit zwei sperrigen Kartons bepackt: die Reste vom Kalten Büffet.
    Sie stellte die Last in der Küche ab und überlegte. Dann holte sie leise vor sich hin summend den Klapptisch aus der Kammer und baute ihn unter dem Kronleuchter auf. Eine weiße Tischdecke, der fünfarmige Kerzenleuchter, Geschirr und Besteck, Lachs, Forellen, zwei verschiedene Pasteten, ein halber Truthahn, Salat, Käse, Cassiscreme, zwei Flaschen Champagner. Sie trat einen Schritt zurück und nickte zufrieden. Dann klopfte sie an Helmuts Tür und lugte um die Ecke. Er saß im Sessel und las. »Hast du Hunger? Ich hab uns was zu essen gemacht.« Er sah auf. »Wie ein Bär! Wo hast du gesteckt?"
    »Ich war bei meinen Eltern.« Sie nahm seine Hand und zog ihn aus dem Sessel. »Hast du mich vermißt?«
    Er nahm sie in die Arme und vergrub sein Gesicht in ihrem Haar. »Ja.«
    »Sehr gut. Und jetzt komm.«

    Auch der Sonntag hätte geruhsam werden können, wenn Ackermann nicht so schrecklich neugierig gewesen wäre.
    Für das, was er zu sagen hatte, hätte ein Anruf genügt, aber gab es eine bessere Gelegenheit, endlich diese exotische Wohngemeinschaft in Augenschein zu nehmen? Er hatte Glück und fand tatsächlich die ganze Truppe einträchtig beim Frühstück versammelt, als er gegen elf Uhr frohgemut hereinpolterte, seine drei Töchter im Schlepptau.
    »Dat sind meine Mädkes, Nadine, Jeanette und Joke. Ich mußte die Bagage heute mitnehmen. Die Mutti fand dat doch nich’ so mit Amsterdam«, erklärte er mit schiefem Blick auf Toppe. »Aber man hat se ja gern um sich.«
    Toppe hatte die Ackermannschen Töchter seit Jahren nicht gesehen, und er konnte sich gerade noch den Klassiker mit dem »groß geworden« verkneifen. Die beiden jüngeren, Jeanette und Joke kamen auf ihre Mutter, beides kompakte Mädchen mit stämmigen Beinen, beide leider wie die Mutter mit einer Schwäche für pastellfarbene Kleidchen. Nadine mußte inzwischen fünfzehn sein. Auch sie war groß und nicht gerade schlank, aber ansonsten fiel sie gehörig aus dem Familienrahmen: eine Punklady in schwarzem Mini und schweren Stiefeln. Die grünen Haarbüschel, der schwarze Lippenstift, die kalkweiße Schminke und die gepiercten Brauen, all das wirkte zusammen mit ihrem runden, braven Gesicht völlig schräg.
    »Hej, da is’ ja auch Oliver!« rief Ackermann und ließ sich auf die Eckbank plumpsen. »Seht ihr, ich hab euch doch gesacht, der Chef hat auch Kinder. Schad, dat der Christian nich’ da is’, wat Nadine?« Dann stupste er die beiden

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