Clara
daß ich Clara besuche. Dabei möchte ich ihr doch so gern sagen, daß ich an sie denke und daß sie schnell wieder gesund werden soll.« Mann, hörte sich das bescheuert an!
»Kann ich gut verstehen«, lächelte die nette Schwester. »Soll ich Clara von dir grüßen, wenn es keiner hört?«
»Das wäre wahnsinnig lieb von Ihnen!« Gleich wurde ihm schlecht. »Und ich dachte auch …«
»Nur raus damit!«
»Wenn ich Clara einen Brief schreiben würde, ob Sie ihn ihr geben könnten? Heimlich, meine ich.«
Sie schmunzelte. »Ich wüßte nicht, was mich daran hindern sollte.«
»Das darf aber keiner merken, sonst kriegt Clara echt Ärger.«
»Hab ich schon verstanden, kein Problem. Also, gib mir ruhig deinen Brief.«
Christian zog die Schultern zusammen. »Na ja, ich habe noch keinen geschrieben. Ich wußte doch nicht, daß Sie so verständnisvoll sind.« Das war jetzt bestimmt zu dick aufgetragen.
Aber sie wischte ihm kurz übers Haar. »Dann halt dich mal ran. Meine Kollegin von der Nachmittagsschicht ist nicht so romantisch wie ich.«
»Haben Sie denn morgen früh auch wieder Dienst?«
»Sicher, die ganze Woche bis zwei Uhr. Soll ich Clara schon mal von dir grüßen, wenn ich gleich ihr Bett mache? Heimlich, versteht sich«, zwinkerte sie verschwörerisch.
»Ja! Sagen Sie ihr, nein, ach, sagen Sie ihr nur herzliche Grüße von Christian.«
Toppe hatte sich unter einem Chorleiter immer jemanden Zierliches, Elegisches vorgestellt – warum, wußte er eigentlich nicht so genau – und er war verblüfft, als er den Hünen sah, der da in seinem Garten mit einer Kettensäge dicke Äste von den Bäumen schnitt.
Der Mann war überhaupt nicht begeistert, daß ihn die beiden Polizisten aus seiner Tätigkeit rissen. Äußerst widerwillig schaltete er den röhrenden Motor aus.
»Die Mühlenbecks!« Sein Gesicht sprach Bände, er schätzte das Paar nicht sehr. »Am 9. Februar? Ach, genau, das war der Abend. Da sind die beiden ganz früh von der Probe weg. Angeblich ging es ihr nicht so gut. Ich habe mich noch gefragt, warum sie dann überhaupt gekommen sind.«
Wieder durfte Toppe van Appeldorns Triumphgesicht über sich ergehen lassen. »Ganz früh weg«, sagte er. »Um wieviel Uhr war das genau?«
Der Riese zuckte mit den Schultern. »Gegen acht, würde ich sagen. Aber nageln Sie mich bloß nicht darauf fest.«
Astrid wollte es gar nicht glauben. Nach all dem zähen Murks hatte sie heute auf Anhieb einen Volltreffer gelandet. Frau Bauer, diese kleine, resolute Altenpflegerin, bestätigte nicht nur Feuerbachs Beobachtung, sie hatte auch noch eine ganze Menge mehr zu berichten. Zum ersten Mal in ihrem Leben war Astrid froh, daß es so geschwätzige Leute gab.
»Ich bin ja von Natur aus neugierig«, feixte Frau Bauer, und Astrid wußte gar nicht, wo sie hingucken sollte. Die Frau ließ sich auf dem Sofa, das in einer Nische der Halle stand, nieder – »sollen doch die anderen zwei mal ein bißchen rennen« – und klopfte auf den freien Platz neben sich. »Setzen Sie sich hin, dann erzähle ich Ihnen alles.«
Astrid hatte noch nicht mal ihren Block aufgeklappt, da sprudelte Frau Bauer schon los: »Die Clara, die kommt schon gut zwei Jahre zu uns, singt mit den Oldies, erzählt ihnen was, manchmal spielt sie auch Gitarre. Immer freitags. Ein herrlicher Mensch, wirklich. Nur eben schwer katholisch. Ihr Papa hat sie immer gebracht und abgeholt. Und dann letztes Jahr, das muß so im Spätsommer gewesen sein, da gucke ich eines Abends aus dem Fenster und sehe hier vor der Haustür einen Burschen mit seinem Motorrad stehen. Ich will gerade raus und fragen, was der hier zu suchen hat, da kommt Clara und sagt, sie würde den kennen – und tschüs. Dabei war es erst zwanzig vor acht. Die beiden haben dann draußen gestanden und gequatscht. Kurz bevor Papa kam, ist der Junge abgedüst. Da hab ich mir ja noch nichts gedacht. Aber die Woche drauf, da war Clara schon um halb acht so anders und gar nicht mehr bei der Sache. Man hat ja ein Auge für so was. Jedenfalls kannte ich sie so gar nicht. Und auf einmal stand dieser Bursche wieder draußen, und Clara ist dann auch nichts wie raus. Da haben die beiden dann schon weniger gequatscht, sondern mehr Händchen gehalten und sich tief in die Augen geguckt. Kennt man ja von sich selbst, ne?«
Astrid lachte über das komische Gesicht.
»Ich hab mir noch gesagt, schau an, die Clara, wer hätte das gedacht? Das ging dann noch ein-, zweimal so, jedenfalls ist sie dann eines
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