Claraboia oder Wo das Licht einfaellt
war, so gleichgültig war Mariana gegenüber dem, was die Natur ihr zugestanden hatte. Keiner von beiden machte sich über den anderen Illusionen, und sie wussten sehr wohl, dass das Feuer der Jugend für immer erloschen war, doch sie liebten sich so zärtlich wie vor dreißig Jahren, als sie geheiratet hatten. Vielleicht war ihre Liebe jetzt sogar größer, weil sie nicht mehr von realer oder imaginärer Vollkommenheit zehrte.
Silvestre folgte seiner Frau in die Küche. Er verschwand im Badezimmer und kam zehn Minuten später frisch gewaschen heraus. Gekämmt hatte er sich nicht, denn es war unmöglich, den Schopf zu bändigen, der auf seinem Kopf buchstäblich thronte – der »Bootsschrubber«, wie Mariana ihn nannte.
Die beiden Kaffeeschalen auf dem Tisch dampften, in der Küche roch es angenehm frisch und sauber. Marianas runde Wangen glänzten, und ihr ganzer voluminöser Körper bebte und schwankte, während sie sich in der Küche bewegte.
»Du wirst immer dicker, Frau!«
Silvestre lachte. Mariana lachte mit. Wie zwei Kinder, genau so. Sie setzten sich an den Tisch. Tranken langsam den heißen Kaffee, schlürften laut, nur zum Spaß. Wer konnte lauter schlürfen?
»Also, was machen wir?«
Nun lachte Silvestre nicht mehr. Auch Mariana wurde ernst. Selbst ihre Wangen wirkten weniger rosig.
»Ich weiß nicht. Du entscheidest.«
»Ich hab’s schon gestern gesagt. Die Sohlen werden immer teurer. Die Kunden jammern, dass ich zu viel verlange. Aber es sind die Sohlen … Ich kann doch nicht zaubern. Ich sag immer, sie sollen mir mal jemand zeigen, der günstiger arbeitet. Und trotzdem jammern sie noch …«
Mariana unterbrach ihn. So kamen sie nicht weiter. Mit der Frage Untermieter ja oder nein: Damit mussten sie sich jetzt befassen.
»Ja, schlecht wär es nicht. Es würde uns helfen, die Miete zu zahlen, und wenn es ein alleinstehender Mann ist und du machst ihm die Wäsche, dann kommen wir zurecht.«
Mariana kippte den Rest süßen Kaffee aus der Schale und antwortete:
»Also, mir soll’s recht sein. Immerhin wär es eine Hilfe …«
»Ja, eben. Aber dass wir wieder untervermieten, nachdem wir die Dame los sind …«
»Es nützt ja nichts! Wenn es ein freundlicher Mensch ist … Ich vertrag mich mit allen, wenn die sich mit mir vertragen.«
»Dann versuchen wir es noch mal … Ein alleinstehender Mann, der nur zum Schlafen kommt, so einen brauchen wir. Gleich heute Nachmittag gebe ich die Anzeige auf.« Noch auf dem letzten Stück Brot kauend, erhob Silvestre sich und erklärte: »So, ich gehe arbeiten.«
Er schlurfte wieder ins Schlafzimmer und wandte sich zum Fenster. Er zog den Vorhang zurück, der einen kleinen Teil des Zimmers abtrennte. Dort befand sich ein Podest, und darauf stand sein Arbeitstisch. Pfrieme, Leisten, Garn, Dosen mit kleinen Nägeln, Sohlen- und Lederabschnitte. In einer Ecke das Päckchen französischer Tabak und die Streichhölzer.
Silvestre öffnete das Fenster und warf einen Blick hinaus. Nichts Neues. Wenige Menschen gingen vorbei. Nicht weit entfernt pries eine Frau Saubohnen an. Silvestre konnte sich nicht erklären, wovon die Frau lebte. Niemand in seiner Bekanntschaft aß Saubohnen, er selbst hatte sie seit mehr als zwanzig Jahren nicht gegessen. Andere Zeiten, andere Sitten, andere Speisen. Nachdem er das Problem mit diesen Worten zusammengefasst hatte, setzte er sich. Er öffnete das Tabakpäckchen, fischte das Zigarettenpapier aus dem Wust von Dingen, mit dem der Arbeitstisch vollgestopft war, und drehte sich eine Zigarette. Er musste ein paar Vorderkappen flicken, eine Arbeit, bei der immer sein ganzes Können gefragt war.
Ab und zu warf er einen Blick nach draußen. Nach und nach wurde es heller, obwohl der Himmel noch bedeckt war und ein leichter Dunst die Konturen der Menschen und Dinge verwischte.
Aus den vielfältigen Geräuschen, die inzwischen das Haus erfüllten, hörte Silvestre das Klappern von Absätzen auf der Treppe heraus. Er erkannte es sofort. Als die Haustür geöffnet wurde, beugte er sich hinaus.
»Guten Morgen, Fräulein Adriana!«
»Guten Morgen, Senhor Silvestre.«
Die junge Frau blieb unter dem Fenster stehen. Sie war klein und trug eine Brille mit dicken Gläsern, hinter denen ihre Augen wie zwei unruhige Kugeln aussahen. Sie war auf halbem Weg zwischen dreißig und vierzig Jahren, und in ihrer schlichten Frisur glänzte schon das eine oder andere graue Haar.
»Geht’s zur Arbeit, ja?«
»Genau. Auf Wiedersehen, Senhor
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