Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis
Gillespie und seine marktschreierischen Anhänger im Alleingang aus der Stadt vertreiben.
Er wirkte so entschlossen, dass Clarissa es mit der Angst zu tun bekam und ihm nachrannte. »Alex! Bleib hier!«, rief sie in aufkommender Panik. »Misch dich nicht ein! Dir kann sonst was passieren, wenn du dich prügelst! Sei vernünftig! Es gibt noch genügend vernünftige Männer, die klären das schon.« Sie hatte ihn eingeholt und packte ihn am Unterarm. »Hörst du mich, Alex? Du darfst dich auf keinen Fall mit ihnen schlagen!«
Doch Alex ließ sich nicht mehr aufhalten und trat den Männern auf der Hauptstraße mutig entgegen. Mit seinem Kopfverband machte er keinen besonders gefährlichen Eindruck. Nur wer in seine Augen sah, konnte erkennen, wie es in ihm kochte und wozu er in dieser Stimmung fähig war.
Als Clarissa die Hauptstraße erreichte, blieb sie abrupt stehen. Beim Anblick der aufgebrachten Männer glaubte sie in einen Albtraum geraten zu sein. Zwei betrunkene Goldsucher, die schon mehrmals unangenehm aufgefallen waren und vor einigen Wochen einen harmlosen Buchhalter aus San Francisco zusammengeschlagen hatten, hielten Matthew an den Armen und zerrten ihn vor das Lokal von Sidney Gillespie. Mehrere Betrunkene torkelten über die Sägespäne, die man auf den vereisten Boden vor dem Saloon gestreut hatte, und empfingen den Indianer mit wüsten Beschimpfungen. Gillespie stand am Fenster, er überlegte wohl, wie weit er gehen konnte, ohne die rechtschaffenen Wähler gegen sich aufzubringen.
»Matthew!«, schrie Betty-Sue in panischer Angst. Sie wollte auf die beiden Männer losgehen, doch Clarissa hielt sie fest. Sie versuchte vergeblich, sich aus ihrem festen Griff zu befreien. Ihre Stimme wurde schrill. »Lasst ihn los, ihr elenden Feiglinge! Lasst ihn sofort los!«
Auch Alex kannte die beiden Männer. Lew Casey war ein ehemaliger Boxer, ein bulliger Mann mit rundem Gesicht und verformter Nase. Angeblich hatte er im Hafen von Seattle als Schauermann gearbeitet, bevor ihn das Gold nach Fairbanks gelockt hatte. Jayden King war ein irischer Heißsporn, der im Arizona Territory gegen die Apachen gekämpft hatte, im Krieg gegen die Spanier verwundet worden war und deshalb immer noch humpelte und in Fairbanks endlich das große Glück zu finden hoffte.
»Wir haben den Scheißkerl beim Stehlen erwischt!«, rief King den wartenden Männern zu. Er hielt einige Zigarren in die Höhe. »Vier teure Zigarren, und wer weiß, was er noch alles in den Taschen hat. Teure Dinger! Ich kenn mich mit Zigarren aus. Das sind die edlen Stumpen aus Kuba!«
»Heute sind es Zigarren, und morgen legt er den armen Ladenbesitzer um und räumt die Kasse aus«, rief Casey. Sein Gesicht war rot von dem vielen Whiskey, den er in Gillespies Saloon getrunken hatte. »Das können wir nicht durchgehen lassen! Wehret den Anfängen, sagte mein Daddy immer.«
Matthew wand sich vergeblich im festen Griff der beiden Männer. »Ich hab die Zigarren nicht gestohlen! Ich hab sie bezahlt! Fragen Sie Mister Walton, den Ladenbesitzer. Ich hab sie für meinen Häuptling gekauft.«
»So, so«, erwiderte Casey, »für deinen Häuptling hast du sie gekauft. Ihr verdammten Rothäute haltet euch wohl für was Besseres. Sich von der Regierung aushalten lassen und teure Zigarren qualmen, das könnte euch so passen! Warum stopft ihr nicht den Dreck in eure Pfeifen, den ihr früher geraucht habt? Das Zeug ist euch wohl nicht fein genug! Edle Stumpen aus Kuba müssen es sein! Aber leider gibt’s die nicht umsonst, mein Lieber!«
»Ich hab sie bezahlt! Warum fragen Sie Mister Walton nicht?«
»Das stimmt«, räumte der Ladenbesitzer ein. Er war ohne seinen Mantel aus dem Laden geeilt, wahrscheinlich auf Ansinnen seiner resoluten Frau, die beide Fäuste in die Hüfte gestemmt hatte und in der offenen Ladentür stand. »Er hat die Zigarren bezahlt. Elsie … meine Frau kann’s bezeugen.«
»Du nimmst den Burschen noch in Schutz?«, fuhr ihn King an.
Der Ladenbesitzer drehte sich hilfesuchend zu seiner Frau um. Seine Miene verriet, wie unangenehm ihm die ganze Angelegenheit war. »Ich sage nur, wie’s war. Er hat die Zigarren bezahlt. Er … Er ist unschuldig.«
Ein Schwall von Verwünschungen und Flüchen antwortete dem Ladenbesitzer. »Blödsinn!«, fauchte Casey. »Einer wie der hat doch kein Geld in der Tasche. Und wenn, hat er’s irgendwo gestohlen.« Ihm machte das unwürdige Schauspiel großen Spaß. »Ich hab den Dreckskerl schon lange im Auge. Der
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