Clarissa - Wo der Himmel brennt
sie einen Hirsch oder Elch gesehen, oder sie war einer anderen Täuschung erlegen.
Die letzten Jahre waren nicht einfach für Clarissa gewesen. Nachdem Alex zurückgekehrt war, hatte sie die Ranch, auf der sie sich vor Whittler versteckt hatte, verlassen und war mit dem Mann, den sie liebte, von einer Stadt zur anderen gezogen, auf der Suche nach einem Ort, an dem sie in Frieden leben konnten. In der Nähe von Port Essington, wenige Meilen von der Pazifikküste entfernt, waren sie fündig geworden. In den Wäldern, die bisher nur wenige Weiße gesehen hatten, gab es Biber und Hermeline, deren Felle und Pelze sogar im fernen Paris geschätzt wurden, und die Hudson’s Bay Company, die mit einem Handelsposten in Port Essington vertreten war, zahlte besser als die Amerikaner im Süden. Alex konnte sich nicht vorstellen, jemals in einem Büro oder einer Fabrik zu arbeiten. Er brauchte die Wildnis wie die Luft zum Atmen. Selbst eine Siedlung wie Port Essington war für ihn schon zu groß.
Über die breite Hauptstraße fuhr sie im Schritttempo. Der Eigentümer des Eisenwarenladens stand rauchend vor seinem Laden und winkte ihr freundlich zu. Sogar der Schmied unterbrach für einen Augenblick sein Hämmern und grüßte sie lächelnd. Alle mochten sie und freuten sich mit ihr auf eine feierliche Zeremonie und eine fröhliche Party. Im Winter gab es wenig Anlässe zum Feiern in der kleinen Stadt, und man war über jede Abwechslung froh. Einige Kinder rannten neben ihrem Schlitten her und nahmen hastig Reißaus, als Smoky den Kopf wandte und bellte.
Vor der Pension von Mary Redfeather hielt sie den Schlitten an. Sie stieg vom Trittbrett und blickte die Straße zum Flussufer hinab, sah einige Männer lachend die Straße überqueren und im Saloon des Hotels verschwinden. »Treib es bloß nicht zu toll, Alex Carmack«, rief sie lächelnd. »Wenn du morgen früh mit einer Fahne in der Kirche erscheinst, muss ich mir noch mal schwer überlegen, ob ich dir mein Jawort gebe.« Sie lief zu den Hunden vor, ohne den Blick von den Männern zu nehmen. »Und fang bloß nichts mit den bemalten Mädchen an, sonst zieh ich dir die Ohren bis zum Boden runter!«
Sie spannte die Hunde aus und brachte sie zu ihrem Schlafplatz hinter dem Hotel. Dort hatte Mary Redfeather bereits Strohlager hergerichtet. »Wird auch langsam Zeit, dass du kommst«, erklang die Stimme der Wirtin, als Clarissa zum Schlitten zurückkehrte und das Paket mit dem Brautkleid von der Ladefläche nahm. Die rundliche Frau, nach eigener Aussage die Tochter eines Chinesen und einer Indianerin und die Enkelin eines Russen und einer Frau, über die man nichts wusste, stand in der Tür mit einer Pfeife aus Walknochen zwischen den Lippen. Ihre Stimme klang heiser. »Ich dachte schon, du willst dich drücken.«
Clarissa erwiderte ihr Lächeln. »Alex? Den lass ich nicht mehr von der Angel. Es sei denn, er lässt sich von den Mädchen im Saloon verführen.«
»Dazu wird es nicht kommen, meine Liebe. Ich kenne die Mädchen noch von früher und hab ihnen Prügel angedroht, falls sie deinem Alex zu nahekommen. Und dem Wirt hab ich gesagt, dass er ihm nur so viel Whiskey geben soll, dass er morgen vor dem Altar nicht aus den Schuhen kippt. Keine Angst, er wird nicht über die Stränge schlagen, dafür habe ich schon gesorgt.«
Clarissa nickte dankbar, als die Wirtin den Schlitten aufstellte und gegen die Hauswand lehnte. »Wenn ich’s mir recht überlege, könnte ich selbst einen Whiskey gebrauchen, so aufgeregt, wie ich bin. Vor dem Friedensrichter war ich die Ruhe selbst, aber morgen in der Kirche, vor den vielen Leuten und in dem langen weißen Kleid … Mir wird schon übel, wenn ich nur daran denke.«
»Keine Angst«, erwiderte die Wirtin, »ich bin die ganze Zeit bei dir. Dafür sind Trauzeugen doch da.« Sie ging zur Tür. »Und jetzt komm endlich rein, oder willst du hier draußen Wurzeln schlagen? Ich hab getrockneten Lachs und Reis für deine Hunde, und für dich steht Wildeintopf auf dem Herd, den magst du doch so gern. Wenn du willst, braue ich dir frischen Kräutertee nach meinem neuen Geheimrezept.«
Wie immer, wenn sie von einer Fahrt zurückkehrte, kümmerte sich Clarissa zuerst um die Hunde. Sie warteten bereits ungeduldig und jaulten aufgeregt, als sie mit dem Fressen aus dem Haus kam. Als Leithund war Smoky zuerst dran, eine Reihenfolge, die sie strikt einhielt, so wie sie für jeden Husky ein paar freundliche Worte übrig hatte, als sie ihm den Napf und
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