Clarissa - Wo der Himmel brennt
Aber was spielt das für eine Rolle, wenn er einen angeblichen Zeugen hat. Sicher ein angesehener Geschäftsmann, der seiner Familie noch was schuldig ist. Wenn es ernst wird, halten diese Bonzen alle zusammen.« Sie zog den Morgenmantel am Kragen zusammen und blinzelte in das helle Sonnenlicht, das jetzt den Raum erhellte. »Danke, dass du hergekommen bist und mich gewarnt hast. Du bist eine echte Freundin.«
Maggie bedankte sich, indem sie ihr eine Hand auf den Unterarm legte. »Ich wollte dir nicht die Freude verderben, Clarissa. Auf den schönsten Tag deines Lebens darf kein Schatten fallen. Hab keine Angst! Meine Brüder passen auf, dass Whittler nicht zurückkommt. Nichts wird deine Freude stören.«
»Und du bist meine Trauzeugin, nicht wahr?«
Maggie entspannte sich. »Natürlich, und ich habe in der Eile nicht mal vergessen, mein gutes Kleid mitzunehmen. Kann ich mich bei dir waschen?«
»Sicher. Mary kommt sicher jeden Augenblick …«
Es klopfte, und auf ihr »Herein!« betrat Mary Redfeather den Raum. »Clarissa! Jetzt wird es aber höchste Zeit, dass du …« Erst jetzt sah sie in dem Sonnenlicht, das sie durchs Fenster blendete, Maggie auf dem Bett sitzen. »Maggie? Du bist schon hier? Ich wette, du bist genauso aufgeregt wie ich.«
»Ich konnte nicht mehr schlafen.« Ein schneller Blickkontakt mit Clarissa warnte sie davor, Whittler zu erwähnen. »Dabei bin ich nur Trauzeugin.«
»Wie wär’s mit einem herzhaften Frühstück? Rühreier mit Speck.«
»Klingt gut. Sie sind sehr freundlich, Mary.«
»Meine Mutter war Indianerin«, antwortete sie fröhlich.
Das Frühstück schmeckte köstlich, doch während die Wirtin und Maggie herzhaft zugriffen, bekam Clarissa nur ein paar Bissen und etwas Kaffee herunter. Vielleicht war es auch die Angst, wieder in die Hände von Frank Whittler zu fallen, die ihr so zusetzte, dass sie kaum ein Lächeln zustande brachte.
Erst nachdem sie sich gewaschen und zurechtgemacht hatte und in ihrem Brautkleid und den neuen Schuhen vor dem Spiegel stand, zeigte sich so etwas wie Zufriedenheit in ihren Augen. Das Kleid saß perfekt, und der Schleier, der mit einigen Nadeln an ihren hochgesteckten Haaren befestigt war, umrahmte ihr Gesicht, das sie mit etwas Puder aufgehellt hatte. Das grelle Make-up, das die Frauen in den großen Städten trugen, gefiel ihr nicht. Um den Hals trug sie eine Kette mit dem Amulett aus Elfenbein, das ihr Alex geschenkt hatte.
»So eine schöne Braut gab es hier noch nie«, sagte Mary Redfeather beeindruckt. »Die Leute werden mächtig Augen machen, wenn du in die Kirche kommst. Ich hoffe nur, Alex vergisst vor lauter Staunen nicht, Ja zu sagen.«
Clarissa lächelte stolz. »Keine Angst, wir haben lange geübt.«
Um kurz vor zehn gingen sie gemeinsam zur Kirche. Mary Redfeather und Maggie, ebenfalls in ihren besten Kleidern, führten sie über die Planken, die man über den Schnee gelegt hatte, zu der kleinen Kirche am Stadtrand. Die Glocke in dem klobigen Erker auf dem Giebeldach läutete hell. Als sie der Kirchendiener, der aufgeregt vor der Tür wartete, entdeckte und hastig in der Kirche verschwand, verstummte die Glocke, und die Frau des Pastors, die auch an diesem Morgen an der Orgel saß, spielte den Hochzeitsmarsch mit solcher Inbrunst, dass die hölzernen Wände zu beben schienen. »Nur Mut!«, flüsterte ihr Mary Redfeather zu, als sie die vollbesetzte Kirche betraten.
Weil weder Clarissa noch Alex lebende Verwandte hatten, übernahmen es die Trauzeugen, die Brautleute zum Altar zu führen. Neben Alex, der bereits vor dem Altar wartete, stand ein befreundeter Fischer, der im Sommer frische Lachse gegen frisches Wild mit ihm tauschte, und Clarissa schritt an der Seite von Maggie über den grauen Teppich. Sie spürte die Blicke der ganzen Gemeinde auf sich gerichtet, alle fröhlich und voller Vorfreude auf die feierliche Zeremonie. Die beleibte Frau des Gemischtwarenhändlers zwinkerte ihr zu.
Doch Clarissas Blick war nur auf Alex gerichtet. Sein dunkler Anzug, den er sich von einem Bekannten geliehen hatte, weil er erst wieder bei seiner Beerdigung so vornehm gekleidet sein wollte, saß etwas zu locker, und die Hose hing über seine polierten Schuhe, und auch seine mit Frisiercreme geglätteten Haare passten nicht besonders zu ihm, aber seine Augen waren immer noch dieselben und strahlten voller Bewunderung, als sie lächelnd neben ihn trat.
»Du siehst wundervoll aus, Clarissa!«, flüsterte er ihr zu.
»Und du erst!«,
Weitere Kostenlose Bücher