Claudius Bombarnac
Hauptstadt gesehen, wird es mir nicht schwer fallen, meiner Einbildungskraft die Sporen zu geben.
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»Baku! Baku!« …
Dieser beim Halten des Zuges wiederholte Name weckt mich aus dem Traume ….
Es ist um sieben Uhr Morgens.
Fußnoten
1 Warten Sie ein wenig!
Drittes Capitel.
Das Schiff geht vor drei Uhr Nachmittags nicht ab. Diejenigen meiner Reisegefährten, die über das Caspische Meer weiter wollen, beeilen sich, nach dem Hafen zu kommen. Es ist auch nicht unwichtig, eine Cabine zu erhalten oder einen Platz in den Salons des Packetbootes zu belegen.
Fulk Ephrjuell hat mich spornstreichs verlassen mit den kurz hervorgestoßenen Worten:
»Ich habe keinen Augenblick zu verlieren! Ich muß die Ueberführung meines Gepäcks überwachen ….
– Haben Sie davon so viel? …
– Zweiundvierzig Kisten.
– Zweiundvierzig Kisten! rief ich verwundert.
– O, ich bedaure, nicht die doppelte Zahl bei mir zu führen. Sie erlauben … nicht wahr? …«
Und wenn er eine Ueberfahrt von acht Tagen statt hier von vierundzwanzig Stunden zu machen, wenn er das Atlantische Meer statt des Caspischen zu überschreiten gehabt hätte, mehr hätte sich der Mann auch nicht beeilen können.
Der Yankee hat, so wahr ich lebe, nicht einmal daran gedacht, unserer Reisegefährtin die Hand zu reichen, um ihr aussteigen zu helfen. Ich trete an seine Stelle. Die Reisende stützt sich auf meinen Arm und hüpft … nein, setzt langsam den Fuß auf die Erde. Als ganze Belohnung erhielt ich ein »
thank you, Sir
«, das sie mit trockner, echt britannischer Stimme hervorbringt.
Thackeray hat einmal gesagt, eine wohlerzogene englische Dame sei das vollendetste Geschöpf des Herrn auf dieser Erde. Mich verlangt nun, diese galante Behauptung bezüglich meiner Reisegenossin zu bestätigen. Sie hat ihr Jaquet wieder angelegt. Ist es eine junge Frau oder ein altes Mädchen? Bei diesen Engländerinnen weiß man nicht, woran man ist. Sie scheint fünfundzwanzig Jahre zu zählen, hat den Teint Albions, einen tüchtigen Schritt, ein Kleid, das sich wie die steigende Fluth aufbauscht, und keine Brille, trotz ihrer wasserblauen, scheinbar kurzsichtigen Augen. Während ich mich vorbeugend den Rücken krümme, beehrt sie mich mit einem Gruße mit dem Kopfe, der kaum die Wirbel ihres langen Halses in Anspruch nimmt, und geht entschlossen nach der Ausgangsthür zu.
Höchst wahrscheinlich treffe ich diese Persönlichkeit an Bord des Dampfschiffes wieder. Ich selbst denke nach dem Hafen erst in der Abfahrtsstunde hinunterzugehen. Ich bin in Baku, habe einen halben Tag vor mir, Baku zu besuchen, und ich mag keine Stunde verlieren, da mich der Zufall nach Baku geworfen hat.
Es ist ja möglich, daß dieser Name die Neugier des Lesers keineswegs erweckt. Vielleicht entzündet es aber seine Einbildung, wenn ich hinzufüge, daß Baku die Stadt der Guebren, der Sitz der Parsis, die Metropole der Feueranbeter ist.
Mit einem dreifachen Band von schwärzlichen, mit Zinnen versehenen Mauern umgeben, ist diese Stadt nahe dem Cap Apcheron, an den letzten Ausläufern der Kaukasuskette erbaut. Doch wie! Bin ich in Persien oder in Rußland? – Natürlich in Rußland, da Georgien eine moskowitische Provinz ist; man könnte sich aber recht gut einbilden, in Persien zu sein, da Baku seine persische Physiognomie so vollständig bewahrt hat. Ich besuche hier einen Palast der Khans, ein reines Erzeugniß der Baukunst aus der Zeit Schamir’s und der Scheherazade, »der Tochter des Mondes«, seiner geistvollen Erzählerin, einen Palast, dessen seine Sculpturen noch so frisch erscheinen, als hätte sie der letzte Meißelschlag eben erst vollendet. Weiterhin erheben sich die schlanken Minarete, nicht jene bauchigen Dächer des heiligen Moskau, an den Ecken einer alten Moschee, die man betreten darf, ohne die Stiefeln auszuziehen; der Muezzin sandte freilich nicht mehr die wohltönenden Koranverse zur Stunde des Gebets über die Umgebung hinaus. Baku besitzt übrigens Quartiere, die nach Sitte und Aussehen völlig russisch sind, mit Häusern aus Holz und ohne jede orientalische Färbung, einen großartigen, jeder Hauptstadt Europas oder Amerikas würdigen Bahnhof und am Ende seiner Straßen einen modernen Hafen, dessen Atmosphäre von dem aus den Dampfbooten aufwirbelnden Kohlenwolken verdüstert ist.
Man fragt sich wirklich, was die Steinkohle hier in der Stadt der
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