Claudius Bombarnac
Naphta zu thun hat. Wozu ist dieses Brennmaterial nöthig, da der dürre, nackte Erdboden des Cap Apcheron, auf dem nur pontischer Wermuth gedeiht, so reich an Mineralöl ist? Um achtunddreißig Mark für hundert Kilo liefert er weiße oder dunkle Naphta, die durch den ausgebreitetsten Gebrauch doch in absehbarer Zeit nicht erschöpft wird.
In der That eine wunderbare Erscheinung! Bedürfen Sie auf der Stelle einen Apparat zum Leuchten oder zum Erwärmen? Höchst einfach; bohren Sie ein Loch in den Erdboden, daraus quillt Gas hervor, und das zünden Sie an. Das ist ein natürlicher Gasometer, den sich auch der ärmste Geldbeutel leisten kann.
Gern hätt’ ich das berühmte Heiligthum von Atesch-Gah besucht; das liegt aber zweiundzwanzig Werst von der Stadt entfernt, und dazu fehlt es mir an Zeit. Dort brennt, seit Jahrhunderten von aus Indien gekommenen Parsipriestern genährt, das ewige Feuer. Diese Priester enthalten sich jeder thierischen Nahrung. In anderen Ländern würde man die bescheidenen Vegetarianer einfach »Grasfresser« nennen.
Dieses Wort erinnert mich daran, noch nicht gefrühstückt zu haben, und da es ein Uhr schlägt, begebe ich mich nach dem Restaurant des Bahnhofs, natürlich mit dem Vorsatz, nicht der Nahrungsweise der Parsis von Atesch-Gah zu huldigen.
Bei meinem Eintritt in den Saal, stürmte Fulk Ephrjuell eben hinaus.
»Nun, kein Frühstück? fragte ich.
– Bereits abgethan, antwortet er mir.
– Und Ihre Colli? …
– Noch neunundzwanzig nach dem Dampfer zu schaffen …. Doch, Verzeihung … ich habe keinen Augenblick zu verlieren. Wenn man das Haus Strong Bulbul and Co. vertritt, das wöchentlich fünftausend Kisten seiner Erzeugnisse fortschickt …
– Gehen Sie, gehen Sie, Herr Ephrjuell, wir treffen uns an Bord ja wieder. Doch halt, haben Sie denn unsere Reisegefährtin wieder gesehen?
– Welche Reisegefährtin?
– Die junge Dame, die meinen Platz im Coupé eingenommen hatte …
– Was … mit uns ist eine junge Dame gefahren?
– Gewiß.
– Davon hör’ ich durch Sie, Herr Bombarnae, das erste Wort!«
Damit eilt der Amerikaner durch die Thür und verschwindet. Hoffentlich erfahre ich noch vor der Ankunft in Peking, was die Firma Strong Bulbul and Co. in New-York eigentlich fabriciert. Fünftausend Kisten in der Woche …. Welche Leistungsfähigkeit und welcher Umsatz!
Nach schneller Erledigung des Frühstücks ziehe ich wieder ins Feld. Bei meiner Promenade hab’ ich Gelegenheit einige prächtige Lesghier zu bewundern die mit der mattgrauen Tscherkesse und den Pistolenhaltern daran in lebhaft rothem seidnen Bechmet einherschreiten. Sie tragen silbergestickte Gamaschen und niedrige Schuhe ohne Absätze, den Schaska und den Kandjiar im Gürtel – kurz, wandelnde Arsenale, so wie es wandelnde Orchester giebt, doch von stolzer Erscheinung, Leute, die im Gefolge des russischen Kaisers sicherlich eine herrliche Wirkung hervorbringen müssen.
Schon ist die zweite Nachmittagsstunde herangekommen und ich muß daran denken, mich nach dem Landungsplatze zu begeben. Dabei führt mich der Weg über den Bahnhof zurück, weil ich hier meinen leichten Handkoffer zur Aufbewahrung gegeben habe.
So schreite ich mit dem wenigen Gepäck in der einen und dem Stock in der andern Hand dahin und biege in eine nach dem Hafen führende Straße ein.
Am Ende eines freien Platzes und nahe der Stelle, wo die Stadtmauer unterbrochen ist, um Zugang nach dem Quai zu bieten, ziehen zwei andere Personen, die nebeneinander denselben Weg einhalten, ich weiß nicht recht warum, meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich halte die Leute im Reisecostüm für ein Ehepaar.
Der Mann mag fünfunddreißig, die Frau fünfundzwanzig bis dreißig Jahre alt sein – der Mann mit braunem, schon etwas grau schillerndem Haar und lebhaften Augen, geht, sich in den Hüften wiegend, leichten Schrittes dahin – die Frau eine recht hübsche Blondine, mit blauen Augen, etwas verblaßtem Teint, das lockige Haar unter dem Hut hervorquellend, trägt einen Reiseanzug, der weder in seinem unmodernen Schnitt, noch in den schreienden Farben besonders guten Geschmack verräth. Die beiden Leutchen sind jedenfalls mit dem Zuge von Tiflis gekommen, und wenn mich mein Spürsinn nicht ganz täuscht, sind das zwei Franzosen.
Während ich sie aufmerksam betrachte, schenken sie mir doch keine große Beachtung. Sie sind viel zu beschäftigt, um mich zu bemerken. In den Händen und auf den Schultern schleppen sie Reisetaschen,
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