Claudius Bombarnac
drei vorgespannten Pferde im Zügel hält, und zu dem noch ein zweiter Kutscher, der »Faletre«, kommt, wenn sich’s nöthig macht, von dem »Smalritet«, dem Postmeister an den kaukasischen Straßen, für einzelne Strecken ein viertes Pferd zu entnehmen!
Prägen Sie sich erst einmal ein, daß die Werst ein Kilometer und siebenundsiebzig Meter lang ist; daß die verschiedenen nomadisirenden Völkerschaften des Kaukasus in folgende Stämme zerfallen, nämlich in: Kalmücken, Nachkommen der Eleuther, fünfzehntausend Köpfe; Kirgisen, von muselmanischer Abkunft, achttausend; Tataren von Kundrof, elftausend; Tataren von Sartof, zwölfhundert; Nogaïs, achttausendfünfhundert, und Turkmenen, nahe viertausend Köpfe.
An demselben Morgen, wo ich in Tiflis eintraf … (S. 6.)
Und nun, da ich mir mein Georgien so sorgsam »eingetrichtert« habe, nun zwingt mich ein Ukas, es zu verlassen! Nicht einmal so viel Zeit wird mir übrig bleiben, um den Berg Ararat zu besuchen, jene Stelle, auf der am vierzigsten Tage der Sindfluth die Arche Noah’s, das primitive flachbodige Schiff des berühmten Patriarchen, sitzen blieb! Ich muß Verzicht leisten auf die Veröffentlichung meiner Reiseeindrücke aus Transkaukasien, und verliere dabei mindestens tausend Druckzeilen, zu denen ich die zweiunddreißigtausend Wörter unserer Sprache – so viele hat die französische Akademie amtlich festgenagelt – zur Verfügung gehabt hätte.
»Sie wollen nach Baku?« (S. 10.)
Das ist hart, doch nicht dagegen anzukämpfen.
Nun zunächst … um wieviel Uhr geht der Zug von Tiflis nach dem Caspischen Meere ab?
Im Bahnhofe von Tiflis münden drei Bahnlinien ein, die westliche, die bis Poti am Schwarzen Meere hinführt, d.h. nach dem Hafen, in dem die aus Europa kommenden Reisenden landen; die östliche, d.i. die nach Baku, dem Einschiffungsplatze für die Fahrt über den Caspisee, und endlich die Eisenbahn, die die Russen in einer Länge von hundertvierundsechzig Kilometern zwischen Ciskaukasien (Circassien) und Transkaukasien, von Wladikavkaz nach Tiflis, gebaut haben und die, in einer Höhe von viertausendfünfhundert Fuß den Rücken des Arkhot überschreitend, die Hauptstadt von Georgien mit den Bahnen des südlichen Rußlands verbindet.
Ich begebe mich eiligst nach dem Bahnhof und stürme hier in die Abfahrtshalle.
»Wann geht der Zug nach Baku ab? frage ich.
– Sie wollen nach Baku?« erwidert der Schalterbeamte.
Er mißt mich dabei durch das Schiebfenster mit dem mehr militärischen als – höflichen Blicke, der unter dem Schilde jeder moskowitischen Dienstmütze hervorzuleuchten pflegt.
»Ich meine, antworte ich, vielleicht etwas vorschnell, es ist doch Keinem verboten, nach Baku zu gehen? …
– Nein, erwidert er mir trocknen Tones, vorausgesetzt, daß man mit ordnungsmäßigem Passe versehen ist.
– Der wird mir nicht fehlen,« stoße ich gegen den bärbeißigen Beamten hervor, der mehr die Rolle eines Gendarmen zu spielen scheint.
Dann frag’ ich nun noch einmal, um wieviel Uhr der Zug nach Baku abgehen werde.
»Um sechs Uhr Nachmittag.
– Und trifft am Ziele ein? …
– Am folgenden Tage früh sieben Uhr.
– Noch rechtzeitig, um an den Dampfer nach Uzun-Ada Anschluß zu haben?
– Zeitig genug.«
Der Schalterbeamte erwidert meinen Gruß mit mechanischer Präcision.
Die Paßangelegenheit beunruhigt mich nicht; der französische Consul wird mir die von der russischen Verwaltung aufgestellten Vorschriften schon erfüllen helfen. Um sechs Uhr Nachmittag, und jetzt ist’s schon um neun Uhr Vormittag! Gleichviel! Ist man nach gewissen Reiseführern im Stande, Paris binnen zwei, Rom binnen drei und London binnen vier Tagen zu besuchen, so müßt’ es doch sonderbar zugehen, wenn man Tiflis nicht in einem halben Tage besuchen könnte; übrigens verstehe ich nach drei Seiten gleichzeitig zu sehen. Zum Teufel, man ist entweder ein ganzer Reporter oder gar keiner!
Es versteht sich, da mein Journal mich nach Rußland entsendet hat, ganz von selbst, daß ich russisch englisch und deutsch ziemlich geläufig spreche. Von einem Berichterstatter die Kenntniß der verschiedenen tausend Zungen zu verlangen, in denen die Bewohner aller fünf Erdtheile ihre Gedanken ausdrücken, das wäre denn doch etwas gar zu arg. Mit den genannten drei Sprachen und der französischen zur Aushilfe kommt man in der Alten und der Neuen Welt weit genug. Freilich herrscht in der Gegend hier auch noch die türkische Sprache,
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