Claudius Bombarnac
gut versteht, kann auch der Major und ich selbst an der Verhandlung theilnehmen.
Daraufhin kommt Pan-Chao ins Feuer. (S. 275.)
Ja, hier entspinnt sich eine Verhandlung! Der sonderbare Sohn des Himmels bleibt dabei, daß der Fall Kinko ein sehr ernster sei …. Ein Betrug unter solchen Umständen! … Ein Betrug, der sich über eine Strecke von sechstausend Kilometern ausdehnt … ein Betrug, der der Gesellschaft der Groß-Transasiatischen Eisenbahn an tausend Francs kostet, der ihre Actionäre …
Wir gestehen dem chinesischen Zopfchinesen zu, daß das ja ganz wahr sei, daß aber der voraussichtliche Schaden gewiß ein weit größerer gewesen wäre, wenn sich der Betrüger nicht mit in jenem Zuge befunden und nicht mit höchster Lebensgefahr das rollende Material und die Reisenden gerettet hätte.
Es wird kaum Jemand glauben mögen, daß die lebende Porzellanpuppe uns bedeutet, von gewissem Standpunkte aus gesehen, wäre es besser gewesen, den Tod von einem Hundert Opfern zu beklagen zu haben ….
Ja, ja, man kennt das! Mag Mensch und Vieh zu Grunde gehen, wenn nur das unantastbare heilige Princip gewahrt bleibt!
Kurz, wir konnten zunächst nichts erreichen; der Gerechtigkeit mußte gegen den Betrüger freier Lauf gelassen werden.
Wir ziehen uns zurück, während Herr Caterna alle Kraftausdrücke aus seinem Seemanns-und Künstlerlexikon über den Dummkopf ausschüttet.
Was nun?
»Meine Herren, sagt Pan-Chao, ich weiß, wie es in Peking und überhaupt im Himmlischen Reiche zugeht. Es werden keine zwei Stunden vergehen zwischen dem Zeitpunkt der Verhaftung Kinko’s und seiner Vorführung vor den Bezirksrichter, der mit der Aburtheilung solcher Fälle betraut ist. Das wird unserm Freunde aber nicht nur Kerkerhaft, sondern sogar die Bastonnade bringen ….
– Die Bastonnade … wie jenem Schwachkopf Zitzel in ›Wenn ich König wäre‹, ruft unser Bühnenheld.
– Ganz ebenso, bestätigt Pan-Chao.
– Das muß auf jeden Fall verhindert werden! erklärt der Major.
– Wenigstens wollen wir es versuchen, antwortet Pan-Chao. Ich schlage Ihnen deshalb vor, mit nach dem Gerichte zu gehen, wo ich versuchen werde, den Bräutigam der reizenden Rumänin zu vertheidigen, und ich will die Nase aus dem Gesicht verlieren, 1 wenn ich ihn nicht aus der fatalen Lage befreie!«
Das schien das Beste und jedenfalls der einzige Weg, den wir einschlagen konnten. Wir verlassen den Bahnhof, besteigen einen Miethwagen und gelangen binnen fünf Minuten nach der elenden Spelunke, in der der Gerichtshof des betreffenden Bezirks tagt.
Eine große Menge umlagert das Nest. Die Sache ist bekannt geworden. Man weiß, daß sich ein Betrüger hat von Tiflis bis Peking in einem Kasten so gut wie gratis befördern lassen. Jedermann will ihn sehen, jeder die Züge dieses Originals sich einprägen … die Leute wissen noch gar nicht, daß das im Grunde ein wahrer Held ist!
Da steht er unser wackrer Reisegefährte, steht zwischen zwei quittengelben Gerichtsdienern mit widerwärtigen Gesichtszügen; die hündischen Kerle sind bei der Hand, den Gefangenen auf Befehl des Richters ins Gefängniß zurückzuschleppen und ihm ein Dutzend Rohrstockhiebe auf die Fußsohlen aufzuzählen, wenn er mit dieser Strafverschärfung verurtheilt wird.
Kinko ist ganz außer Fassung vor Scham und Schande, was mich bei einem so energischen Burschen etwas Wunder nimmt. Als er uns jedoch bemerkt, blitzt ein Strahl der Hoffnung über seine hübschen Züge.
Eben erzählte der Rollwagenführer, unter Berufung auf das Zeugniß der Polizisten, den Vorgang einem bebrillten Männchen, der den Kopf in einer für den Angeklagten recht beunruhigenden Weise zurückwarf, und dieser konnte sich selbst wenn er so unschuldig war wie ein neugebornes Kind, nicht einmal vertheidigen, da er kein Wort chinesisch verstand.
Da erscheint Pan-Chao. Der Richter kennt ihn und grüßt ihn lächelnd.
Unser Gefährte ist ja der Sohn eines reichen Pekinger Kaufmanns und privilegirten Lieferanten der Thees von Tung-Tien und von Tung-Fug-Cao. Die Kopfhaltung des Richters wird etwas freundlicher.
Er ist wirklich pathetisch und geistvoll, unser junger Rechtsanwalt! Er erweckt die Theilnahme des Richters, rührt die Zuhörer durch seine Schilderung unsrer Fahrt, beleuchtet die Unfälle, die sie betroffen, und erbietet sich schließlich, der Gesellschaft den ihr verursachten Schaden bezüglich des nicht bezahlten Personenfahrpreises zu ersetzen ….
Leider kann der Richter hierauf
Weitere Kostenlose Bücher