Claudius Bombarnac
entdeckt, verhaftet und ins Gefängniß geworfen sei.
Ich beeile mich hinzuzufügen:
»Fräulein Zinca … gewisse zufällige Umstände … haben mir … von der Reise eines jungen Rumänen Kenntniß gegeben ….
– Kinko … mein armer Kinko … ist entdeckt worden? … stammelt sie erzitternd.
– Nein … nein … antworte ich zögernd. Außer mir hat Niemand etwas davon erfahren. Ich habe ihn im Packwagen – und während der Nacht – oft aufgesucht …. Wir sind Bekannte … sind Freunde geworden. Ich hab’ ihn mehrfach mit dem Nöthigsten versorgt …
– O, ich danke Ihnen, mein Herr! unterbricht mich Fräulein Zinca Klork, indem sie meine Hände ergreift. Von einem Franzosen konnte sich’s Kinko ja versehen, nicht verrathen zu werden, sondern sogar Unterstützung zu finden! … Dank! … Tausend Dank!«
Ich bin in peinlichster Verlegenheit bezüglich der Mittheilung, die ich dem jungen Mädchen zu machen gekommen bin.
»Niemand hat also die Anwesenheit meines geliebten Kinko geargwohnt? fragt sie.
– Niemand!
– Sie müssen wissen, geehrter Herr, daß wir nicht reich sind … Kinko war ohne Geldmittel … da unten … in Tiflis … und ich hatte auch noch nicht genug erübrigt, um ihm das Reisegeld zu schicken … doch, nun ist er ja hier … wird sich durch seiner Hände Fleiß ernähren – o, er ist ein tüchtiger Arbeiter! – und sobald wir der Bahngesellschaft unsre Schuld berichtigen können …
– Ja, ich weiß … ich weiß.
– Dann wollen wir heiraten, mein Herr … Er liebt mich so innig und ich ihn nicht weniger! … In Paris war’s, wo wir uns kennen lernten … zwei Länder, wie man dort zu sagen pflegt. – Er war gegen mich stets so aufmerksam! – Als er sich dann nach Tiflis zurückbegeben, bat ich ihn so sehr, hierher zu kommen, daß er sich zu dieser Kastenreise entschloß. – Der arme Junge, was wird er ausgestanden haben!
– Nicht doch, Fräulein Zinca … nicht doch …
– Wie glücklich werd ich sein, den Frachtschein über meinen armen Kinko einzulösen ….
– Ja, die Fracht zu bezahlen.
– Das muß doch sehr bald geschehen können?
– Nein … und am Nachmittage … jedenfalls wird dann …«
Ich wußte nicht mehr, was ich sagen sollte.
»Mein bester Herr, fährt Zinca fort, wir – Kinko und ich – müssen uns heiraten, sobald die nöthigen Formalitäten erfüllt sind, und wenn ich Ihre Gefälligkeit nicht mißbrauche, erlaub ich mir, Sie um Ihre Anwesenheit bei unsrer Trauung zu bitten …
– Bei Ihrer Trauung … natürlich … das hab’ ich meinem Freunde Kinko versprochen ….«
Armes Kind! Ich kann sie nicht länger in dieser Lage lassen … maß ihr Alles sagen … Alles.
»Fräulein Zinca, Ihr Kinko …
– Ja, ja, er selbst hat Sie ersucht, mir sein Eintreffen anzumelden ….
– Gewiß … Fräulein Zinca … doch Sie begreifen … Kinko ist … sehr ermüdet … nach einer so langen Fahrt …
– Ermüdet? …
– O, erschrecken Sie nicht!
– Wär’ er vielleicht gar krank? …
– Ja … ein wenig …
– Dann geh’ ich auf der Stelle … Ich muß ihn sehen … Sie, mein Herr, werden die Güte haben, mich nach dem Bahnhofe zu begleiten ….
– Nein! Das wäre eine Unklugheit, Fräulein Zinca! … Bleiben Sie hier! … Bleiben Sie!«
Zinca Klork sieht mich verwundert an.
»Die Wahrheit, mein Herr, die Wahrheit! ruft sie. Verheimlichen Sie mir nichts … Kinko …
– Ach ja, ich habe Ihnen … eine traurige Mittheilung zu machen ….«
Zinca Klork schwankt … ihre Lippen zittern …. Kaum vermag sie ein Wort hervorzubringen.
»Er ist entdeckt worden! schreit sie auf. Sein Betrug ist bekannt! … Sie haben ihn verhaftet ….
– Ach, wenn es nur das wäre! … Mein Fräulein … wir wurden von Unfällen betroffen … unterwegs … der ganze Zug wäre beinahe zertrümmert worden …. Eine entsetzliche Katastrophe …
– Er ist todt! … Kinko ist todt?«
Die unglückliche Zinca sinkt auf einen Stuhl, und – um mich der bilderreichen Sprache der Chinesen zu bedienen – »ihre Thränen fließen wie der Regen in der Herbstnacht«. Ich habe in meinem Leben noch keinen so erschütternden Anblick gehabt! … Ich darf sie aber nicht in diesem Zustande zurücklassen, das arme Mädchen! … Sie wird bewußtlos werden …. Ich weiß mir nicht zu helfen … ergreife ihre Hände … und rufe wiederholt:
»Fräulein Zinca … Fräulein Zinca …«
Da entsteht vor dem Hause ein Heidenlärm. Man hört Schreien und Johlen aus
Weitere Kostenlose Bücher