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Claw Trilogy 01 - Fenrir

Claw Trilogy 01 - Fenrir

Titel: Claw Trilogy 01 - Fenrir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M D Lachlan
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hauchdünne Wirklichkeit. Eines Tages würde Christus wiederkehren, Christus der Zerstörer, Christus der Bezwinger, der alle Sünden sieht und uns für sie verantwortlich macht. Wo bleiben wir dann mit unseren Verstellungen und Ausflüchten, unseren Tröstungen und Lastern? Alles würde verwehen wie ein Strohhalm im Wind.
    Doch das Mädchen konnte dem Gemetzel Einhalt gebieten. Er verstand gut, worauf Ebolus hinauswollte. Das Leben eines Mädchens gegen eine ganze Stadt. Es wäre besser für alle, wenn man sie überzeugen könnte. Der Beichtvater hatte eine andere Sicht auf die Dinge. Das Leben eines Mädchens und die ewige Verdammnis gegen den Tod und die Möglichkeit der Erlösung. Da gab es überhaupt keine Frage.
    »Saint-Etienne, Vater.«
    Sie hatten die große Kirche in Paris erreicht. Jehan konnte das mächtige Gebäude beinahe körperlich spüren, als veränderte es die Luft in der Umgebung, oder vielleicht sogar eher die Dunkelheit – als verstärkte und vertiefte es das Zwielicht und verwandelte es in etwas, das Jehan einen Schauder einjagte wie die Gegenwart tiefen Wassers. Seit er blind war, vermochte Jehan beinahe den Druck zu spüren, den Gebäude und sogar Menschen auf die Luft ausübten. Fast wäre er versucht gewesen zu behaupten, er habe einen neuen Sinn entwickelt, doch er war ein praktisch denkender Mann. Da er in der Dunkelheit hockte, suchte sein Geist ganz einfach nach anderen Reizen. Außerdem erinnerte er sich aus der Zeit vor seinem Leiden natürlich an die Kirche. Sie war mehr oder weniger das Erste gewesen, was er bei seiner Ankunft in Paris bemerkt hatte, nachdem die Mönche ihn von dem großen Wald am Rhein hergebracht hatten. Vielleicht erklärte das die Resonanz, die er immer noch in sich spürte.
    An sein früheres Leben konnte Jehan sich kaum erinnern. Er war ein Findelkind gewesen. Dieses Gebäude zählte zu seinen frühesten Erinnerungen. Er sah immer noch die riesige achteckige Kuppel vor sich, die sich über dem mehrseitigen Fundament erhoben hatte. Der Mönch, der ihn aus dem Osten hergebracht hatte, war hineingegangen, um über die Zukunft des Knaben zu beraten, und hatte den überwältigten Knaben im bunten Treiben der Straße stehen lassen. Jehan hatte die Hand auf die Mauer gelegt, war ganz um das Gebäude gelaufen und hatte die Seiten gezählt. Es waren zwölf, und jede trug das Fresko eines Mannes, der ein Apostel sein musste. Er erinnerte sich an die tiefen dunklen Fenster, die mächtigen Steine und die hohe Kuppel, wenn man hineinging. Der Marmor auf dem Boden hatte so hell geglänzt, dass er sich beinahe gefürchtet hatte, den Fuß daraufzusetzen, weil er ihm vorgekommen war wie die Oberfläche eines Teichs. Er hatte auf die Brüder aus Saint-Germain gewartet, die ihn abholen sollten, und beobachtet, wie die Sonne durch die Fenster fiel und gegen Abend dunkle Schatten warf, die so tief schienen wie Abgründe …
    »Ist sie allein dort drinnen?«
    »Ja, es ist schon sehr spät.«
    »Tragt mich hinein und setzt mich neben ihr ab.«
    Der Mönch wurde von der Lagerstatt gehoben und in die Kirche getragen. Der Krieger stolperte, als sie durch den Vorraum gingen.
    »Pass auf«, ermahnte ihn der Beichtvater.
    »Es tut mir leid, Vater. Hier drinnen sind wir alle blind, es brennt kaum ein Licht.«
    Der Beichtvater grunzte nur. Während der Belagerung wurden die Kerzen knapp, und außerdem gab es nachts sowieso nichts zu beleuchten.
    »Kannst du sie erkennen?«
    »Nein.«
    »Ich bin hier, wer auch immer nach mir sucht.« Die Stimme war klar und kräftig und verriet jene leichte Gereiztheit, die man oft bei Herrschern bemerkt, wenn sie mit ihren Untertanen reden. Diesen Tonfall kannte er gut. Hin und wieder besuchten Adlige sein Kloster, wenngleich häufiger Männer als Frauen kamen. Edle Damen wollten vor allem dem lebenden Heiligen begegnen. Er hatte Aelis dort empfangen, als sie etwa zwölf Jahre alt gewesen war. Damals war er achtzehn gewesen. Jetzt war sie achtzehn, und die Stimme hatte sich verändert und klang voller, doch er erkannte sie. Das Mädchen hatte ihn gefragt, warum er so hässlich sei. Er hatte erwidert, es sei der Wille Gottes, und er sei dankbar dafür.
    Der Beichtvater atmete tief durch und nahm den Duft von Weihrauch und Bienenwachs auf, um sich zu beruhigen und die Gedanken zu ordnen. Was sollte er ihr sagen? Er hatte keine Ahnung und wusste nur, was er nicht sagen würde – dass sie gehen müsse, weil es ihre Pflicht sei. Nein, er würde ihr die

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