Clementines verrückte Woche
glaube nicht, dass das alles war. Ich bin sicher, du hast seit deiner Geburt eine Menge interessanter Dinge gemacht. Was glaubst du wohl, was ein Biograf in einem Buch über dich schreiben würde?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nicht viel. Ich habe in diesem Jahr zwei Biografien gelesen. Wussten Sie, dass Harry Houdini in meinem Alter schon ein berühmter Trapezkünstler war? Und Mozart komponierte schon mit fünf Jahren. So was könnte über mich niemand erzählen.«
Und plötzlich wusste ich genau, warum. »Diese Leute damals in den guten alten Zeiten mussten sicher nicht in die Schule gehen. Erst gestern Abend hat mein Dad gesagt, ich würde sicher eine Menge interessanter Dinge machen, wenn ich nicht zur Schule müsste.«
»Das kann ich mir denken«, sagte mein Lehrer. »Aber bleiben wir doch bei den Tatsachen. Hat es nicht vor einiger Zeit Familienzuwachs bei euch gegeben? Warum erzählst du uns nichts über ihn?«
»Das stimmt!«, rief ich. »Wie konnte ich das nur vergessen! Also – ich habe Anfang des Jahres einen kleinen Kater bekommen, und er heißt Kamillosan, und er ist ungeheuer intelligent und …«
»Na ja, eigentlich hatte ich an jemand anderen gedacht«, sagte mein Lehrer. »Hast du nicht einen jüngeren Bruder?«
»Ach«, sagte ich. »Doch. Hab ich. Broccoli. Also, das Besondere an meinem Kater ist, dass er wirklich …«
»Dein Bruder heißt Broccoli? Tatsächlich?«
»Na ja, nein. Aber mir haben sie einen Obstnamen verpasst, und es ist nicht fair, dass er keinen hat, deshalb gebe ich ihm Gemüsenamen. Mais oder Rosenkohl oder Zwiebel. Kommt drauf an. Jedenfalls haben wir ihn jetzt seit drei Jahren, und er ist eine ziemliche Enttäuschung, also finde ich nicht, dass wir über ihn reden sollten.«
Mein Lehrer lachte, als ob ich einen Witz gemacht hätte. »Na, ich meinerseits finde, wir haben immerhin gelernt, dass Clementine viel Sinn für Humor hat«, sagte er. »Und mehr Zeit haben wir im Moment leider nicht. Aber für den Rest des Tages sind wir alle Reporter. Alle sollten etwas Interessantes über Clementine herausfinden.«
In der Pause stellten die anderen mir deshalb Fragen.
FRAGE: Wenn du ein Tier wärst, welches wärst du dann?
ANTWORT: Gorilla.
FRAGE: Was ist deine Lieblingsfarbe?
ANTWORT: Alle.
FRAGE: Macht dein kleiner Bruder auch manchmal niedliche Dinge?
ANTWORT: Nein.
Ich war froh, dass niemand nach meiner besten Freundin fragte. Denn diese Frage hätte ich nicht beantworten können.
4. KAPITEL
Am Dienstag ging ich nach der Schule sofort in den Keller.
Der Keller ist eigentlich gar keiner – er ist nur die andere Hälfte des Stockwerks, in dem wir wohnen, und das ist das untere Stockwerk unseres Hauses. Es liegt einen halben Stock unter dem Bürgersteig, und wenn wir aus unserem Fenster schauen, sehen wir die Füße der Leute. Meine Eltern sagen immer, wir leben im Untergrund, und dann lachen sie. Mir ist aufgefallen, dass Erwachsene oft über Dinge lachen, die nicht komisch sind.
Jedenfalls nimmt unsere Wohnung das halbe Stockwerk ein. Der Rest ist das, was wir Keller nennen – ganz viel Platz mit Heizkesseln und einem Boiler, einer Werkstatt, der Waschküche und Lagerräumen.
Mein Dad sagt, ein Hausmeister sei so etwas wie ein Präsident und ich sei die Vizepräsidentin. Und weil ich jederzeit einspringen können muss, kenne ich mich im Keller fast so gut aus wie er. Also wusste ich sofort, wo der Feiertagsschmuck war.
Als ich den ersten Karton hervorzog, den, auf dem HALLOWEEN stand, hörte ich ein leises Miauen. »He, was willst du denn hier? Willst du mir beim Aussuchen helfen?«
Kamillosan sagte auf Katzensprache Ja, deshalb packte ich den Karton vor ihm aus – eine Tüte Spinnennetze und eine Menge riesiger unheimlicher Fledermäuse mit schwarzen Flatterflügeln.
Kamillosan musterte die Fledermäuse aus dem Augenwinkel. Er duckte sich flach hin und kroch auf sie zu, und seine Nase versuchte zuckend herauszufinden, ob sie echt waren oder nicht. Ich schob die Hand zwischen die Fledermäuse und drückte bei einer auf einen Knopf, und die roten Augen gingen an und aus.
Kamillosan schoss in die Luft. Alle Haare auf seinem Schwanz sträubten sich, als sei jedes einzelne vor Schreck erstarrt. Ich wusste aber, dass er keine richtige Angst hatte. Er spielte nur Käpt’n Wunderpfote – zuerst tat er so, als sei er ein schwaches kleines Kätzchen, und dann verwandelte er sich von jetzt auf gleich in den Superkater.
Und schon
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