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Cleo

Titel: Cleo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
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Grad wären doch wunderbar. Da ich aus einem Land stammte, wo man mit jedem Sonnenstrahl geizen musste, riss ich also sämtliche Fenster und Vorhänge auf. Es ging doch nichts über ein bisschen Durchzug. Nur kam dieser Durchzug direkt aus dem sengend heißen Roten Zentrum in unser Wohnzimmer. Einem Monster gleich schlich die Hitze durch unser Haus. Statt hindurchzuwehen, wie es sich gehörte, setzte sie sich in jedem Zimmer fest und breitete sich wie Nebel aus, bis sie jede Ecke ausfüllte und bis hoch zur Decke reichte. Meine Arme und Beine schwollen auf den doppelten Umfang an. Die Haare hingen mir in feuchten Strähnen herab. Das Herz pochte mir in den Ohren. Wie gelähmt saß ich aufdem Sofa, unfähig mich zu bewegen. Ich schaffte es gerade noch, einen Korb frisch gewaschener Wäsche auf die Leine zu hängen. Unsere Unterwäsche fing im Wüstenwind fast Feuer.
    Wir waren alle völlig fertig, aber am schlimmsten traf es Cleo. Ihr schwarzes Fell nahm die Wärme auf und verbreitete sie wie eine Zentralheizung im ganzen Körper. Normalerweise tat sie nichts lieber, als sich vor dem offenen Kaminfeuer zu grillen, aber jetzt lag sie wie tot auf der Seite, die Beine starr von sich gestreckt, die Zunge hing ihr zum Zeichen der Kapitulation aus dem Maul.
    Und die ganze Zeit über wurde Rob wieder schwächer. Die Krankheit flammte immer häufiger und immer heftiger auf. Er war mit seinen vierundzwanzig Jahren ein fertiger Ingenieur, aber an ein normales Arbeitsleben war gar nicht zu denken. Wie schwach er war, wurde mir an dem Tag klar, als wir ihn zu einem Spaziergang mitnehmen wollten: Er konnte gerade einmal die Entfernung zwischen zwei Laternenpfosten zurücklegen. Sein Gastroenterologe erklärte ihm, dass er unmöglich länger solche hohen Dosen Steroide zu sich nehmen konnte. Rob willigte ein, einen Darmchirurgen aufzusuchen.
    Ich machte mir nicht nur um seine Gesundheit, sondern auch um sein Sozialleben Sorgen. Er hatte sämtliche Schul- und Studienfreunde in Neuseeland zurückgelassen, während er in Australien so gut wie niemanden seines Alters kannte. Als ich das einmal Trudy, einer der Mütter aus Katharines Schule, gegenüber erwähnte, brachte sie kurz darauf ihre Nichte Chantelle mit zu uns, um sie Rob vorzustellen. Chantelle, eine hübsche junge Frau, war in ihrer Lebhaftigkeit sehr einnehmend. Merkwürdigerweise spürte ich bei ihr ein ähnliches unmittelbares Wiedererkennen wie damals beiPhilip. Ich erklärte es mir mit Chantelles Offenheit. Sie gehörte zu den Menschen, die man schnell ins Herz schloss. Chantelle nahm Rob zu einem Football-Spiel mit und stellte ihn ihrem jüngeren Bruder Daniel vor. Ich hatte den Eindruck, dass Rob sich für sie interessierte, aber auf etwas anderes als Freundschaft zu hoffen, wäre sinnlos gewesen. Nicht wenn ihm ein so schwerwiegender Eingriff drohte.
    Die Angst setzte sich wieder in meinem Herzen fest. Die Vorstellung, dass Rob sich dieser radikalen Operation unterziehen sollte, war schrecklich. Niemand will, dass das eigene Kind verstümmelt wird. Was, wenn die Operation misslang? Wenn er sich gegen die Operation entscheiden sollte, konnte die Zukunft allerdings noch düsterer aussehen. Ein Blick auf sein blasses von den Steroiden aufgequollenes Gesicht genügte, um mich zu überzeugen. Er starb vor unseren Augen.
     
    Als ich eines Morgens die Küchentür öffnete, entdeckte ich auf dem gepflasterten Gartenweg ein dickes Drosselküken, das völlig verschreckt auf dem Rücken lag. Cleo wurde wirklich langsam alt. Vor gar nicht so langer Zeit hätte sie sich schon längst über den Vogel hergemacht. Die Augen des Kükens blitzten ängstlich auf. Über ihm auf dem Zaun saßen zwei erwachsene Drosseln, die Eltern, und veranstalteten ein Riesenspektakel, das mich überhaupt erst nach draußen gelockt hatte.
    Als ich sah, wie Cleo sich sprungbereit macht, stieg Wut in mir auf. Wie konnte sie in der einen Minute so nett und liebevoll sein und schon in der nächsten kaltblütig eine Familie zerstören? Aber ausnahmsweise hatte ich die Gelegenheit, einen ihrer Ritualmorde zu verhindern. Ich schnappte sie mir, trug sie ins Haus und warf die Tür hinter uns zu.
    Den ganzen Nachmittag über beobachteten Cleo und ich,wie die erwachsenen Vögel zwischen dem Zaun und einem riesigen Kamelienbusch hin und her flogen. Mit ihren verzweifelten Rufen versuchten sie ihr Junges dazu zu bringen, um sein Leben zu kämpfen. Ich konnte ihre Verzweiflung gut nachvollziehen. Wenigstens wurde

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