Cleo
ich, trottete ihm durch das ganze Haus hinterher, kuschelte sich inseine Decke und überreichte ihm gelegentlich ein kleines Geschenk in Form einer enthaupteten Eidechse.
In den langen Tagen, die wir gemeinsam zu Hause verbrachten, durfte ich Rob besser kennenlernen. Nur wenige Mütter haben das Glück, dass sich ihnen ihre Söhne mit Mitte zwanzig in dieser Offenheit mitteilen. Seine Krankheit brachte uns so einander auf eine unverhoffte Weise näher.
»Früher habe ich mir oft gewünscht, es leichter zu haben«, sann er. »Manche Leute lassen sich durch den Alltag treiben, alles scheint wie am Schnürchen zu laufen. In ihrem Leben finden keine Tragödien statt. Dauernd erzählen sie, wie glücklich sie sind. Aber manchmal habe ich den Eindruck, dass sie nur halb leben. Und wenn dann etwas schiefgeht, und das tut es früher oder später immer, wirft sie das völlig aus der Bahn. Vorher ist ja nie etwas richtig Schlimmes passiert. Da denken sie, dass jedes kleine Problemchen wie ein verlorener Geldbeutel ein Mordsding ist. Das kann ihnen einen ganzen Tag die Laune verderben. Sie haben keine Ahnung, wie es ist, wenn man tatsächlich einen schlimmen Tag hat. Wenn sie es dann herausfinden, ist es für sie kaum zu ertragen.«
Er hatte seine eigene Begründung dafür, dass man jede Minute des Lebens genießen sollte. »Durch Sam habe ich erfahren, wie schnell sich Dinge ändern können. Durch ihn habe ich gelernt, dass ich jeden Moment schätzen und mich nicht an irgendetwas festklammern soll. Dann ist das Leben viel aufregender und intensiver. Das ist wie bei dem Joghurt, das nach drei Tagen schlecht wird. Es schmeckt viel besser als das Joghurt, das drei Wochen hält.«
Mein junger Philosoph im Bademantel hatte Weisheiten auf Lager, mit denen er jedem östlichen Mystiker hätte Konkurrenzmachen können. Aber tief in unserem Inneren wussten wir beide, dass er dieselben Träume wie jeder junge Mensch hatte. Mehr als alles andere sehnte er sich nach Liebe und Glück.
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V erbindung
Eine Katze, die in einem Traum erscheint,
ist nicht weniger real als eine, die über den Küchenboden tappt.
Die übersinnlich begabte Katze ist auf verschiedene Weise mit der Welt verbunden. Sie kann sich genauso leicht in einen Traum wie in eine Küche schleichen. Dort wartet sie auf ihrem Lieblingsfensterbrett und weiß genau, wann ihre Sklaven zu ihr nach Hause zurückkehren. Sie ist eine Wächterin mit überirdischen Kräften und umgibt die Menschen, die sie mit ihrer Gegenwart beehrt, mit einem Schutzschild. Manchmal wissen diese um ihre Fähigkeit, zwischen den Welten hin und her zu wechseln. Meistens nicht.
Zwei Monate später war Rob immer noch so dürr wie ein Zaunpfahl, und soweit ich es mit meinem ängstlichen mütterlichen Blick einschätzen konnte, immer noch nicht ganz gesund. Aber das hielt ihn nicht davon ab, eine Abenteuerreise mit zwei Schulfreunden, den »Jungs«, zu planen. Sie wollten durch die Wüste zum roten Herzen Australiens fahren, Uluru. Drei Wochen lang. Zu sagen, dass ich mir Sorgen machte, wäre eine Untertreibung. Ich musste allerdings akzeptieren, dass Rob keine Lust hatte, bis ans Ende seiner Tage als Invalide herumzulaufen. Er sehnte sich nach dem abenteuerlustigen Leben eines ganz normalen jungen Mannes, wenn auch die damit verbundenen Gefahren die Knie seiner Mutter zum Schlottern brachten.
Ich klärte die Jungs darüber auf, dass das Outback nichtsanderes als ein riesige Freigehege für Tiere war, die quasi bis an die Zähne bewaffnet waren. Angefangen bei Krokodilen bis zu Haien, Schlangen, Spinnen und Ameisen waren sie alle Profikiller, denen es an jeder Zuneigung für die menschliche Spezies mangelte. Selbst Kängurus konnten zu Mördern werden, wenn sie versehentlich in die Windschutzscheibe eines Autos krachten, dessen Fahrer von der untergehenden Sonne geblendet wurde.
Sie hörten mir zu und nickten verständig. So dumm waren sie nicht, dass sie bewusst ein Risiko in Kauf genommen hätten.
Was mir noch mehr Sorgen als die Wildtiere machte, war die Möglichkeit, dass das Auto liegenbleiben könnte. Seit seiner Operation sollte Rob so viel Flüssigkeit wie möglich zu sich nehmen. Wenn das Auto mitten in der Wüste schlappmachte, dann könnte der Wassermangel zu einem ernsten Problem werden. Die Jungs versicherten mir, sie würden immer genug Wasser dabeihaben. Eigentlich waren sie ja auch keine Jungen mehr, sondern erwachsene Männer, die für nichts mehr eine elterliche
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