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Cleo

Titel: Cleo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
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ihnen das Grauen erspart, zusehen zu müssen, wie ihr Junges verstümmelt wurde, dachte ich. Wobei das Wörtchen »wenigstens« für mich seit jeher einen drohenden Beiklang hatte.
    Cleo ärgerte sich über meine Gefühlsduselei. So ist die Natur, du Dummkopf , schien sie mir sagen zu wollen. Du machst es nur schlimmer. Lass mich raus, dann bereite ich dieser Quälerei ein rasches Ende.
    Auch am nächsten Morgen ließ ich sie nicht aus dem Haus. Der kleine Vogel hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Reglos starrte er ins Leere, die Krallen in einer Geste der Erstaunens gekrümmt. Ich schluckte die Tränen hinunter. Überrascht stellte ich fest, dass die Eltern noch immer in dem Kamelienbusch wachten und ungläubig auf ihr totes Kind starrten. Ich war nie auf die Idee gekommen, dass Vögel genauso wie Menschen um ihren toten Nachwuchs trauerten. Wie Sam oft gesagt hatte, ist die Tierwelt vielschichtiger und schöner, als den Menschen klar ist.
    Cleo beobachtete die Szene von einem Fenster aus und leckte sich dabei lässig die Pfoten. In diesem Moment fiel es mir wirklich schwer, sie zu mögen.

 
    30
    H eilschnurren
    Eine Katzen-Krankenschwester ist hingebungsvoller
    als ihr menschliches Gegenstück, auch wenn ihre Methoden
    etwas unkonventionell sind.
     
    Die Ursache von Colitis ulcerosa und ihres schrecklichen Vetters Morbus Crohn liegt nach wie vor im Dunkeln. Genauso ist es ein Rätsel, warum diese Darmerkrankung vor allem junge Menschen zwischen fünfzehn und fünfunddreißig befällt, wobei ich im Falle meines Sohnes den Verdacht hatte, dass die unbewältigte Trauer über den Tod seines Bruders Mitschuld hatte. Bislang gibt es außer der operativen Entfernung des Darms noch keine Therapie.
    Rob wollte nicht, dass wir um die Operation ein großes Theater machten. So als wäre es ein ganz normaler Tag, an dem wir in der Stadt zu Mittag essen wollten, fuhren wir also ins Krankenhaus. Die Straße folgte der Biegung des Flusses, und ich dachte an die Hände des Chirurgen. Ich hoffte, sie würden an diesem Tag ihr Bestes tun. Was soll man seinem Sohn sagen, dem ein großer Eingriff bevorsteht, durch den sein Körper für alle Zeiten verändert (verstümmelt?) sein würde?
    »Ist das Licht auf dem Wasser nicht wunderschön?«
    Er grunzte zustimmend. Wenn die Operation wie durch ein Wunder erfolgreich verlaufen sollte, dann würde er dadurch ein neues Leben erhalten. Ich versuchte nicht daran zu denken, was ihm bevorstand. Man wollte knapp dreiMeter seines Dickdarms entfernen, was bedeutete, dass er mit einem Kolostomiebeutel nach Hause zurückkehren würde. Es war so ungerecht. Er war als vollkommenes Wesen zur Welt gekommen. Ich hatte meine ganze mütterliche Energie darauf verwendet, dass es auch so blieb. Der Versuch, ihn durch reine Willenskraft zu heilen, war gescheitert. Wenn alles gutging, dann würde man den Kolostomiebeutel bei einer zweiten Operation nach acht Wochen wieder entfernen können, so dass er wenigstens (wenigstens, wenigstens – wieder dieses schreckliche Wort) den Anschein körperlicher Normalität zurückerlangen würde.
    Wir sprachen nur das Nötigste. Zahnbürste? Ja. Rasierapparat? Ja. Warum nur konnte er nicht die eine Sache haben, auf die es ankam? Gesundheit? Nein. Wir nahmen den Aufzug in den achten Stock, wo ein kleiner grauer Raum auf ihn wartete. Ein Kreuz an der Wand erinnerte an junge Männer, die vor ihm mehr hatten leiden müssen, als sie verdienten. Er setzte sich auf einen Stuhl mit Armlehnen, der kein bisschen bequem wirkte. Aber einen schönen Blick auf die Stadt hatte man von hier aus.
    »Da drüben ist wahrscheinlich Chantelle«, sagte er und deutete auf einen riesigen grauen Würfel. »Die Uni.«
    Mein Herz zog sich zusammen. Dass in diesem Körper, der nicht richtig funktionieren wollte, die Bedürfnisse eines vierundzwanzigjährigen Mannes steckten, war das Schlimmste. Sämtliche anderen Patienten auf dem Flur waren schon jenseits der siebzig.
    Wir verfielen in Schweigen, das erfüllt war von unseren Gedanken.
    »Ich liebe dich«, sagte ich. Diese Worte drückten nur einen winzigen Bruchteil meiner Gefühle für meinen schönen, sensiblen, katzenliebenden Sohn aus.
    »Du kannst jetzt gehen«, sagte er, ohne den Blick vom Fenster abzuwenden.
    »Soll ich nicht bleiben, bis sie dich aufgenommen haben?«
    Er schüttelte den Kopf. »Richte Cleo aus, dass ich bald wieder zu Hause bin«, sagte er.
    Als ich beim Verlassen der Station einen Blick zurückwarf, sah ich eine

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