Cleo
vergraben hatte. Wieder ein paar Tage später entdeckten sie einen alten Matratzenrost unter dem Haus. Sie schleppten ihn zu dem Loch, legten ihn darüber und hatten damit ein Trampolin, das in meinen Augen wie ein Mordinstrument aussah.
Ich fragte mich, ob es für Rob eine Art Therapie war, tonnenweise Erde umzuschichten. Wenn er über und über verdreckt und mit zufrieden geröteten Wangen vom Graben kam, musste ich immer an meine Großmutter denken. Sie hatte neun Kinder gehabt und den größten Teil ihres Lebens auf einem kleinen Flecken Farmland verbracht, wo sie ganz bestimmt viele Tage der Angst und Enttäuschung hatte durchstehen müssen. Immer wenn die Sorge sie allzu sehr zu drücken begann, lief sie die Hintertreppe hinunter und am Hühnerhaus vorbei in den Garten. Sie sagte stets, dass sich mit den Knien auf der Erde und einer Schaufel in der Hand jede innere Not heilen ließe. Umgraben war für sie eineForm der Psychotherapie, ein Trostspender. Das Wühlen in dem vulkanischen Lehm in ihrem Garten erdete sie, und sie fand durch die Arbeit zurück zum Rhythmus der Natur.
Auch wenn sie schon lange nicht mehr unter uns weilte, fing ich jetzt langsam an, sie besser zu verstehen, besonders seit ich selbst mehr Zeit im Garten verbrachte, während die Jungen ihr Loch gruben.
In einer Anwandlung von völlig grundlosem Optimismus setzte ich Tulpenzwiebeln für den Frühling. Ein Samenkorn oder eine Zwiebel mit Erde zu bedecken, zeugt von Vertrauen in die Zukunft. Nur wer der Natur vertraut, zupft Unkraut und wässert und hegt den schlafenden Samen. Schiebt sich dann ein grüner Trieb durch das Erdreich, erlebt der Gärtner eine ähnliche Euphorie wie jemand, der gerade ein Kunstwerk geschaffen oder ein Kind geboren hat. Es kann eine geradezu göttliche Erfahrung sein. Man nimmt an einem Wunder teil, wenn man beobachtet, wie ein Samen keimt und sich in eine Blume oder ein Gemüse verwandelt. Ebenso lernt der Gärtner Verfall und Tod zu akzeptieren und Zeiten der Ruhe und des Rückzugs als Teil des ewigen Kreislaufs zu begrüßen.
Cleo ging auf andere Weise damit um, wenn das Leben mal wieder tat, was es wollte. Sie verzog sich auf einen erhöhten Punkt. Als wir den Weg hinuntergingen, um die Erdarbeiten der Jungen zu inspizieren, blieb Ginny plötzlich stehen und deutete mit einem dunkelroten Fingernagel auf unser Dach. Ganz oben auf dem Kamin machte ich eine bekannte Silhouette aus.
»Was sucht Cleo denn da oben?«, fragte sie.
»Wahrscheinlich schmollt sie wegen der Operation«, erwiderte ich. »Sie muss sich allerdings schon wieder ziemlich fit fühlen, wenn sie sich in diese Höhe wagt. Cleo!«
Aber unsere Katze hob sich weiterhin reglos wie eine Statue gegen den orangefarbenen Himmel ab, den Rücken uns zugewandt, den Schwanz elegant über den Kamin drapiert.
»Bist du sicher, dass alles in Ordnung mit ihr ist?«, fragte Ginny zweifelnd.
»Das macht sie immer, wenn sie nachdenken will.«
»Glaubst du, sie sitzt da oben fest?«, fragte Ginny.
»Wahrscheinlich genießt sie nur die Aussicht.«
Das Hinaufklettern musste Cleo Spaß gemacht haben, nur der Rückweg schien ein Problem darzustellen, selbst für eine so bewegliche Katze.
»Warum passiert so etwas eigentlich immer nur dann, wenn Steve auf See ist?«, jammerte ich. Auf der Suche nach einer Leiter stapfte ich ums Haus und in diesem Moment fiel mir ein neues Lebensmotto ein: »Schau mit einem Auge in den Himmel zu den Sternen, mit dem anderen schau auf den Boden, damit du in keinen Hundehaufen trittst.«
Ginny bot mir in ihrer grenzenlosen Großzügigkeit an, aufs Dach zu klettern und Cleo herunterzuholen. Aber selbst eine Zirkusartistin hätte es sich zweimal überlegt, bevor sie eine Leiter mit Netzstrümpfen, Plateausohlen und Ohrringen, so groß wie Hula-Hoop-Reifen, erklomm.
Dankend lehnte ich ab, rückte die Leiter zurecht und sah zum Himmel.
Zwei kleine schwarze Ohren hoben sich gegen den Sonnenuntergang ab. Die Leiter kam mir plötzlich morsch und zerbrechlich vor – und viel höher, als ich mich erinnert hatte.
Nach den ersten Sprossen schoss Übelkeit von meinen Knien nach oben bis in den Hals und beinahe hätte ich mich übergeben. Bis dato hatte ich eigentlich nie besonders unter Höhenangst gelitten.
»Soll ich die Feuerwehr holen?«, rief Ginny. Ich sah nach unten und bereute es sofort. Ginny, das Gesicht besorgt auf mich gerichtet, war auf die Größe eines bunten Käfers geschrumpft.
Endlich erreichte ich das Ende der
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