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Cleo

Titel: Cleo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
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köstlichste Gebäck der Welt schuf, war mir ein Rätsel. Es war, als würde eine unscheinbare hellbraune Motte eine wunderbare grüne Kingsize-Raupe hervorbringen.
    Jeden Morgen legte er die Profiteroles wie einen Haufen FKK-Anhänger in seinem Schaufenster zurecht. Jeder der leicht gebräunten Körper enthielt einen dicken Klecks Sahne. Schokoladensoße lief an den Seiten herunter. Die beschlagenen Schaufenster luden mich dazu ein, hereinzukommen, ach was, befahlen es mir.
    »Eine Profiterole, bitte«, sagte ich.
    »Profiiiterole!«, fuhr er mich an.
    »Dann nehm ich zwei.«
    Schließlich aß ich ja jetzt auch für zwei (für drei sogar, wenn man Cleo mitzählte).
    Der Profiterole-Mann grunzte. Man hätte fast meinen können, ich versuchte ihm seine Kinder abzukaufen, was ich in gewisser Weise auch tat.
    Der Handel endete zwangsläufig mit einer Enttäuschung. Noch bevor ich den Laden verlassen hatte, verloren die Objekte hormonell gesteuerter Begierde ihre Verführungskraft. Ich spürte, wie das Gebäck zerbröselte und die Sahne herausgequetscht wurde und durch den Papiersack fettete, während ich den Ziegenpfad hinaufwatschelte.
    Der Gedanke, meinen kugelförmigen Körper auf der Bank, die auf halber Höhe des Ziegenpfads stand, niederzulassen und die Profiteroles an Ort und Stelle zu verschlingen, war verlockend. Doch es bestand die Gefahr, Mrs. Sommerville zu treffen. Sie würde mich mit diesem Blick mustern. Der Sommerville-Blick war kalt wie ein Eisberg und brachte kleine Jungen dazu, zu gestehen, dass sie den Postboten mit Schnecken beworfen hatten, und erwachsene Frauen, sich zu fühlen, als hätten sie vergessen, Unterwäsche anzuziehen.
    Ich beschloss also, mich weiterzuschleppen. Abgesehen davon war ich nicht die Einzige, die auf Profiteroles wartete. Cleo hatte eine Obsession für Profiterole-Creme entwickelt. Der Tag, an dem sie das erste Mal einen Klecks davon von meinem Finger klaute, war das wie der erste Schuss für einen Heroinsüchtigen gewesen. Seither leckte sie die leeren Papiertüten ab, den Rand meines Tellers, meinen Ärmel, kurzum: alles, worauf Spuren davon zu finden sein könnten.
    Jeden Morgen wartete sie auf meine Rückkehr, als schwarze Silhouette vor der Buntglasscheibe neben der Eingangstür; sie sah wie ein Jugendstilposter aus. Kaum stand ich keuchend am Gartentor, galoppierte sie mit hoch aufgerichtetem Schwanz und zur Seite geneigtem Kopf auf mich zu. Gemeinsam trotteten wir hinein, sanken auf den Fernsehsessel, die Fußstütze nach oben, die Kopfstütze nach hinten, und rissen die Papiertüte auf.
    Dank Cleo hatte ich ein anderes Verhältnis dazu gewonnen, es mir gutgehen zu lassen. Das Katzenvokabular verfügt über kein Wort für Schuldgefühl. Katzen haben nie ein schlechtes Gewissen, weil sie zu viel gefressen, zu lange geschlafen oder sich das wärmste Kissen im Haus unter den Nagel gerissen haben. Sie begrüßen jeden angenehmen Augenblick und genießen ihn ganz und gar, bis ein Schmetterling oder ein zu Boden fallendes Blatt ihre Aufmerksamkeit ablenkt. Sie verschwenden keine Energie darauf, die Kalorien zu zählen, die sie zu sich genommen, oder die Stunden, die sie mit Sonnenbaden verschwendet haben.
    Katzen quälen sich auch nicht damit, dass sie nicht genug arbeiten. Sie stehen nicht auf und gehen, sie setzen sich hin und bleiben. Für sie ist Lethargie eine Lebenskunst. Von ihrem Aussichtspunkt auf Zäunen und Fensterbrettern aus sehen sie den Menschen gefangen in einem Hamsterrad von Pflichten und Aufgaben, die sie als das begreifen, was sie sind – eine sinnlose Verschwendung von Zeit, die man für ein Nickerchen hätte aufwenden können.
    Ich liebte es, faul in dem halb renovierten Häuschen herumzuhängen und bei einer Katze Nachhilfe im Chill-out zu nehmen. Ich schaltete einen Gang herunter, ließ mich treiben, versuchte, in mich hineinzuhören. Mein Körper verlangte dringend nach Ruhe, nicht nur wegen der Schwangerschaft,sondern auch weil ich Kraft für eine tiefer gehende Form der Erholung sammeln musste. Schamlos verschliefen wir halbe Tage, genossen ein Schläfchen am Nachmittag und eines am Vormittag. Eines Tages, als ich von einem Nach-der-Schule-Besuch bei Ginny zurückkam, entdeckten Cleo und ich die Freuden einer kleinen Schnarchrunde am frühen Abend.
    Ich war ihre Bettflasche. Entweder spürte Cleo, dass in mir neues Leben heranwuchs, oder sie fand einfach die zusätzliche Wärme und den wachsenden Kugelbauch angenehm. Fast waagrecht lagen wir auf

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