Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cleopatra

Cleopatra

Titel: Cleopatra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
Vom Netzwerk:
Scholte war fünfzehn Jahre jünger.
    Helene Cleveringa äußerte sich mit lächelnder Zurückhaltung, als man sie fragte, wie sie sich als Gattin eines Ministers fühle. Der Premier erklärte optimistisch, dass sich das Außenministerium bei Josef Cleveringa in guten Händen befinde.
    Der Berichterstatter interviewte Cleveringa über die internationale Politik und die Europäische Gemeinschaft, aber Cleveringa wimmelte alle seine Fragen ab. »Wir sollten erst warten, bis ich offiziell mein Amt antrete.« Oder: »Das werden wir schon sehen, wenn es so weit ist.« Oder: »Das ist nicht der richtige Moment, um über Politik zu sprechen.« Ich versuchte, eine unterschwellige Atmosphäre der Bedrohung auf diesem Fest zu entdecken oder ein nervöses Verhalten des jüngeren Cleveringa, aber ich konnte nichts dergleichen feststellen.
    Das Band endete mit Lonneke, die von Gästen umringt mit ihrem Vater tanzte. Sie war zehn oder elf Jahre alt, ein langbeiniges Füllen in einem schönen blauen Kleid. Die Gäste applaudierten, als ihr Vater sie hochhob und herumschwenkte, ein fröhliches Bild, das zu Recht, als freeze frame von Vater und Tochter, ans Ende des Sendebandes montiert worden war.
    Ich wollte gerade das Band mit dem Restmaterial starten, als CyberNel eintraf. Ich reichte ihr das Adressbuch. »Das hier stammt von Buchenstein. Die durchgestrichenen Namen mit BB stehen alle noch mal hinten drin.«
    Nel schaute sich das Büchlein an. »Internationale Kontakte vielleicht? Diese Nummer hier beginnt mit 66, das ist Thailand. Und hier, die 62 für Indonesien. 216 ist meiner Meinung nach Tunesien …« Sie runzelte die Stirn. »Ich werde sie überprüfen. Los, schalte das Band ein.«
    Ich drückte auf den Startknopf.
    Das Restband bestand aus zusammenhanglosen Aufnahmen, die meist abrupt endeten oder weitersprangen, weil die Passagen für das Sendeband herausgeschnitten worden waren. Auf dieser Kassette befand sich eine längere Außenaufnahme, die Autos zeigte, die durch das Tor fuhren und unter den Buchen parkten. Als die Kamera einen Schwenk über das Gelände zur Eingangstür von Buchenstein vollführte, sah man hinter dem verlassenen Zelt kurz ein kleines Stück des zukünftigen Tennisplatzes: ein baureif vorbereitetes Rechteck mit einer niedrigen Verschalung darum herum, ein kleiner Bulldozer und Metallpfähle für den späteren Zaun.
    Wir schauten uns die Menschen an, die durch die Eingangshalle kamen und Hände schüttelten, redeten und lachten. Einmal war Betty zu sehen, die zu einem Mann mit Walkie-Talkie ging und mit ihm sprach. Sie sah aus, wie sie auf Malta ausgesehen haben musste, hier allerdings in einem dunkelblauen Kostüm.
    Wieder studierte ich die Gesichter von Cleveringa und Barend Scholte, um festzustellen, ob sie besorgt oder beunruhigt wirkten, etwa weil einer von ihnen gerade Cleopatra umgebracht hatte. Doch ich sah nichts Besonderes. Es wurde gelacht und geraucht. Es war natürlich genau wie in Kinofilmen, in denen man Gesichter nach Belieben manipulieren kann. Wenn ein Schauspieler neutral aus einem Fenster schaut und man die Szene mit düsterer Musik unterlegt, wirkt er, als habe er soeben den Krieg oder einen Seelenverwandten verloren, während derselbe Gesichtsausdruck mit einer fröhlichen Musik den Eindruck erwecken kann, er habe ein Vermögen im Lotto gewonnen.
    Hier wurde jemand Minister, also waren alle fröhlich. Cleveringa tanzte mit seiner Tochter. Der Teil, wo er sie hochhob und herumschwenkte, war herausgeschnitten worden, aber die Kamera war weitergelaufen und so sahen wir das Restmaterial nach dem freeze frame . Cleveringa schwenkte Lonneke noch einmal herum und stellte sie dann wieder auf die Füße, mit dem gespielt komischen Gesicht eines Vaters, der entdeckt, dass seine Tochter zu groß und zu sehr Dame geworden ist. Er nahm sie an der Hand und tanzte weiter mit ihr. Andere Paare begannen, seinem Beispiel zu folgen.
    Nel packte mich am Arm, als wir auf dem Bildschirm sahen, wie sich Barend Scholte plötzlich zwischen die tanzenden Menschen drängte und seinem Freund etwas ins Ohr flüsterte.
    Cleveringa blieb stehen. Es folgte unverkennbar ein Moment des Erschreckens, doch er hatte seinen Gesichtsausdruck rasch wieder unter Kontrolle. Er zauberte ein Lächeln für Lonneke auf seine Lippen und murmelte etwas. Die Kamera folgte ihm, als er mit entschuldigendem Kopfnicken nach links und rechts hinter Barend Scholte zum Seitenausgang eilte. Die Kamera schwenkte zurück auf den

Weitere Kostenlose Bücher