Cleopatra
vor mir gesehen, wo Buchstaben auf Milchglasscheiben gemalt waren, Kunden hin und wieder den ganzen Laden kurz und klein schlugen und wo der Privatdetektiv mit einer Zigarette im Mundwinkel schöne, gewissenlose Witwen entlarvt oder zwischen den Lamellen seiner Jalousie hinunter auf das Verbrechen in den Straßen schaut, während er einen inneren Monolog hält und seine langbeinige Sekretärin mit hübschem Dekolleté, die obendrein sehr gescheit ist und Stella heißt, die Gerichtsvollzieher abwimmelt.
Aber so läuft es nicht mehr. Ich wüsste nicht, wovon ich Stella bezahlen sollte. Außerdem hasse ich die Stadt. Jemand gab mir einen Tipp wegen dieser Etage und ich mietete sie, weil in der Straße Bäume stehen.
Ich begann mit einer Reihe kleiner Anzeigen: Detektei Winter, Fahndung und Ermittlung, Diskretion garantiert.
Eine paranoide alte Dame meldete sich, die überzeugt war, ihr Sohn würde ihre Katzen vergiften, um sie dann in ein Altersheim abzuschieben, damit er sein Elternhaus verkaufen könne. Ein Versicherungsagent erkundigte sich, ob ich an der Suche nach gestohlenen Autos interessiert sei. Danach blieb es wochenlang ruhig, so ruhig, dass ich die meiste Zeit durch die Lamellen hindurch auf die Ahornbäume blickte, über besseren Anzeigentexten brütete und mich fragte, warum der Mann schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite am Steuer seines unauffälligen Renaults tagelang Zeitung las, Brötchen aß oder in sein Handy sprach.
Ich hatte zu oft selbst mit Zeitungen, Brötchen und Handys in Autos gesessen, um nicht zu wissen, was der Mann da machte. Vielleicht war das Maklerbüro im Erdgeschoss ein Deckmantel für internationale Geldwäschegeschäfte.
Dass es um mich ging, dämmerte mir, als ich den Renault auch in meinem Rückspiegel bemerkte. Ich bat Bart Simons, das Kennzeichen des Fahrzeugs zu überprüfen, und erfuhr zu meiner Überraschung, dass es auf den Namen des Büros Meulendijk angemeldet war.
Ich ließ den Mann ein paar Tage lang seine Arbeit tun, so dass er notieren konnte, dass ich eine Stammkneipe hatte, manchmal die Nacht auf Margas Bauernhof verbrachte und dergleichen mehr. Dann reichte es mir und ich schleppte ihn in meinem Kielwasser zum schicken Firmengebäude von Meulendijk an der Prins Hendrikkade.
Zum ersten Mal machte ich Bekanntschaft mit der Gediegenheit und der Diskretion des Hauses.
Die Empfangsdame, schon mindestens fünfzig, sah aus, als habe sie, bevor Meulendijk sie abgeworben hatte, jahrelang auf tröstliche Weise die Zeremonien in einer Trauerhalle geleitet. Auch das jüngere weibliche Personal trug dezente Kostüme, die Herren gut sitzende Anzüge. Über allem hing die beruhigende Atmosphäre eines luxuriösen Sanatoriums.
Das Sammeln von Informationen geschieht schon seit langem mit Hilfe von Computern und Datenbanken. Jeder verkauft Daten und vieles wird durch Einbruch und das Knacken von Codes in anderen Rechnern erworben. Bankdaten, finanzielle Verhältnisse, medizinische Daten, Kreditwürdigkeit, politische Gesinnung, Mitgliedschaften, der Familienstammbaum, das Strafregister, ausländische Konten, geheime Telefonnummern – alles ist irgendwo registriert und kann daher gefunden werden, sobald jemand zielgerichtet danach sucht. Und zielgerichtete Suche war das, womit sich ein großer Teil der fünfzig Mitarbeiter des Büros Meulendijk in einem Saal voller Elektronik beschäftigte.
Zu meiner Beruhigung fand ich später auch einen Raum, der einem Büro der Kriminalpolizei ähnelte, mit Wänden voller Memos, Zeitungsausschnitten und dem vertrauten Chaos rauchender, Kaffee trinkender Leute, die ihre Anzugjacken über die Stuhllehnen gehängt hatten und in Hemdsärmeln und gelockertem Schlips an Telefonen und PCs saßen. Eine der fünf oder sechs Frauen war Lucy Haarmans, Ex-Polizeihauptwachtmeisterin in der Wache an der Herengracht. Sie war vor drei Jahren ausgestiegen, weil es ihr zu lange dauerte, bis sie eine Chance bei der Kriminalpolizei bekam. Außer ihr erkannte ich noch ein paar weitere Gesichter ehemaliger Polizeibeamter.
»Wenn es nichts mit einem bestimmten Fall zu tun hat, können Sie vielleicht mit dem Personalchef, Herrn van Houten, einen Termin vereinbaren. Der Staatsanwalt ist sehr beschäftigt«, sagte die Dame.
»Ich auch«, sagte ich. »Ich komme nicht, um mich zu bewerben. Ich will Herrn Meulendijk sprechen.«
Sie nahm meine Karte mit in ihr gläsernes Büro hinter dem Empfang, wo sie diskret am Telefon überlegen konnte, ob sie
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