Clockwork Princess: Chroniken der Schattenjäger (3) (German Edition)
wegzulaufen versuchte, und hob ihn hoch. Mortmain schrie gellend auf, da die Hand des Engels ihn versengte. Lichterloh brennend wand er sich hin und her, während Tessa ihren Griff um ihn verstärkte und seinen Körper zu einem Brei aus scharlachrotem Blut und weißen Knochen zermalmte.
Sie öffnete die Finger. Mortmains zerquetschter Körper stürzte in die Tiefe, zwischen seine eigenen Automaten. Ein Schaudern ging durch die Kreaturen, dann folgte ein ohrenbetäubendes Knirschen von Metall, als ob ein riesiges Bauwerk einstürzen würde… und im nächsten Moment begannen die Automaten umzukippen. Einer nach dem anderen fiel zu Boden, reglos ohne ihren Gebieter, der ihnen Leben eingehaucht hatte. Ein Garten metallener Blüten, die der Reihe nach verwelkten und starben, während die Schattenjäger inmitten der Automaten standen und sich verwundert umschauten.
Und dann erkannte Tessa, dass sie noch immer ein Herz besaß, denn es machte vor Freude einen Satz, sie alle lebend und unversehrt vor sich zu sehen. Doch als sie ihnen ihre goldenen Hände entgegenstreckte – eine nun mit scharlachroten Flecken bedeckt, wo Mortmains Blut sich mit Ithuriels goldenem Engelssekret vermischt hatte –, wichen die Nephilim demütig vor dem blendenden Licht zurück. Nein, nein, wollte Tessa ihnen zurufen, ich würde euch niemals wehtun. Doch die Worte kamen ihr nicht über die Lippen – sie konnte nicht mehr sprechen, die Verbrennungen waren zu groß. Verzweifelt versuchte sie, wieder zu sich zurückzufinden, sich wieder in Tessa zurückzuverwandeln, aber sie irrte in der sengenden Hitze des Feuers hilflos umher, als wäre sie in das Zentrum einer gewaltigen Sonne gefallen. Gleißend helle Flammen explodierten um sie herum und sie spürte, wie sie den Halt verlor und der Klockwerk-Engel wie eine rot glühende Schlinge an ihrer Kehle brannte. Bitte, dachte sie, doch dann war um sie herum nur noch Feuer und Flammen und Schmerz – und sie stürzte bewusstlos in die Tiefen des Lichts.
22
K EINE M ACHT DER E WIGKEIT
Denn, wenngleich Leib und Seele sich entzweit,
Trennt uns doch keine Macht der Ewigkeit.
A LGERNON C HARLES S WINBURNE , »L AUS V ENERIS «
Klockwerk-Kreaturen tauchten aus schwarzen Nebeln auf und schlugen mit scharfen Krallen nach Tessa. Feuer floss durch ihre Adern, und als sie an sich herabblickte, sah sie, dass ihre Haut gerissen und verkohlt war und goldenes Engelssekret in Strömen über ihre Arme lief. Sie sah die endlosen Weiten des Himmels, sah ein Firmament, das so lichterloh in Flammen stand, dass kein menschliches Wesen diesen Anblick überleben konnte. Sie sah silberne Wolken mit rasiermesserscharfen Kanten und sie spürte die eisige Leere, die die Herzen der Engel aushöhlte.
»Tessa.« Wills Stimme – sie hätte sie immer und überall wiedererkannt. »Tessa, wach auf, wach auf. Tessa, bitte.«
Sie konnte den Schmerz in seiner Stimme hören und wollte die Hand nach ihm ausstrecken, doch als sie die Arme hob, schossen Flammen daran empor und versengten ihre Finger. Ihre Hände verbrannten zu Asche und wurden vom heißen Wind davongetragen.
Tessa wälzte sich in ihrem Bett, gefangen in einem Delirium aus Fieber und Albträumen. Die Laken, die sich um ihre Beine gewickelt hatten, waren schweißdurchnässt; ihr Haar klebte matt an den Schläfen. Ihre ohnehin blasse Haut wirkte nun völlig durchscheinend, sodass das Adergeflecht zum Vorschein kam und die Konturen ihrer Knochen. Ihr Klockwerk-Engel ruhte an ihrer Kehle; in unregelmäßigen Abständen griff sie danach und schrie dann kläglich auf, als würde die Berührung ihr Schmerzen bereiten.
»Sie leidet Höllenqualen.« Charlotte tauchte ein Tuch in kaltes Wasser und legte es auf Tessas glühende Stirn. Das Mädchen brachte einen leisen, protestierenden Laut hervor, machte aber keine Anstalten, Charlottes Hand wegzuschlagen. Zu gern hätte Charlotte sich eingeredet, dass das kühle Tuch Tessa Linderung verschaffte und sie deshalb nicht zurückzuckte; doch sie wusste, dass Tessa wahrscheinlich einfach nur zu geschwächt dafür war. »Gibt es denn nichts, was wir noch für sie tun können?«
Das Feuer des Engels verlässt allmählich ihren Körper, teilte Bruder Enoch, der neben Charlotte stand, ihr durch seine Gedanken mit. Und dieser Prozess folgt eigenen Gesetzen. Wenn das Himmlische Feuer verschwunden ist, wird sie auch keine Schmerzen mehr leiden.
»Aber sie wird nicht sterben?«
Zumindest hat sie bis jetzt überlebt. Der Bruder der Stille
Weitere Kostenlose Bücher