Clockwork Princess: Chroniken der Schattenjäger (3) (German Edition)
Erfahrung mit der Versorgung von Kranken – wenn man einmal von ihrem Bruder absah, um den sie sich immer gekümmert hatte, wenn er betrunken nach Hause gekommen war. Aber es machte ihr nichts aus, jetzt an Jems Bett zu sitzen und seine Hand zu halten, während er flach ein- und ausatmete, mit halb geschlossenen Lidern und flatternden Wimpern.
»Nicht besonders heldenhaft«, sagte er plötzlich und ohne die Augen zu öffnen, allerdings mit ruhiger Stimme.
Tessa zuckte zusammen und beugte sich vor. Sie hatte ihre Finger mit Jems verschränkt und ihre beiden Hände lagen neben ihm auf dem Bett. Seine Finger fühlten sich kalt an und sein Puls ging langsam. »Was meinst du damit?«, fragte sie.
»Heute …«, erklärte er mit schwacher Stimme und begann dann zu husten. »Ich meine, dass ich heute zusammengebrochen bin und das ganze Anwesen der Lightwoods mit Blut besudelt habe …«
»Wenn du mich fragst, hast du das Haus dadurch eher verschönert«, erwiderte Tessa.
»Jetzt klingst du genau wie Will.« Jem schenkte ihr ein schläfriges Lächeln. »Und du wechselst das Thema, ebenfalls wie Will.«
»Natürlich klinge ich wie er. Als ob ich jemals geringer von dir denken würde, nur weil du krank bist; du weißt genau, dass das nicht stimmt. Und außerdem hast du heute sogar ziemlich heldenhaft gehandelt. Obwohl Will ja meinte, dass alle Helden ein böses Ende finden würden und er nicht wisse, warum jemand auch nur den Wunsch verspüren könnte, ein Held zu sein«, fügte Tessa hinzu.
»Ah.« Jem drückte Tessas Hand leicht und gab sie dann frei. »Nun ja, Will sieht das Ganze aus der Perspektive des Helden, oder? Aber was den Rest von uns anbelangt, fällt die Antwort leicht.«
»Ach ja?«
»Natürlich. Helden erdulden das alles, weil wir sie brauchen. Nicht um ihrer selbst willen.«
»Du redest von ihnen, als ob du keiner wärst.« Tessa beugte sich vor und strich Jem die Haare aus der Stirn, worauf er sich an ihre Finger schmiegte und die Augen schloss. »Jem … hast du je …« Tessa zögerte. »Hast du je daran gedacht, dein Leben mit etwas anderem als einem Heilmittel zu verlängern?«
Bei diesen Worten öffnete er ruckartig die Augen. »Was meinst du damit?«
Tessa musste an Will denken, wie er auf dem Dachboden Weihwasser gespuckt hatte. »Nun ja, du könntest dich beispielsweise in einen Vampir verwandeln. Dann würdest du ewig leben …«
Hastig setzte Jem sich auf. »Tessa, nein . Du solltest…du darfst so etwas nicht denken.«
Verlegen wandte sie den Blick ab. »Ist dir die Vorstellung, dich in einen Schattenweltler zu verwandeln, wirklich so zuwider?«
»Tessa …« Jem seufzte. »Ich bin ein Schattenjäger. Ein Nephilim. Genau wie meine Eltern es vor mir gewesen sind. Es ist Teil meines Erbes, so wie die chinesische Herkunft meiner Mutter ein Teil von mir ist. Das bedeutet nicht, dass ich meinen Vater gehasst hätte. Aber ich respektiere das Geschenk, das sie mir gemacht haben: das Blut des Erzengels, das Vertrauen, das in mich gesetzt wurde, die Gelöbnisse, die ich abgelegt habe. Außerdem würde ich vermutlich keinen guten Vampir abgeben. Vampire verabscheuen uns im Großen und Ganzen. Manchmal verwandeln sie einen Nephilim nur so zum Spaß, aber so ein Vampir wird von den anderen verachtet. Wir Schattenjäger tragen das Licht und das Feuer von Engeln in unseren Adern, also all das, was Vampire hassen. Sie würden mich meiden und auch die Nephilim würden sich von mir fernhalten. Ich könnte nicht länger Wills Parabatai sein, wäre im Institut nicht mehr willkommen. Nein, Tessa. Ich würde lieber sterben und wiedergeboren werden und das Licht der Sonne erneut erblicken, als bis ans Ende aller Tage ohne Tageslicht zu leben.«
»Was wäre denn mit einem Bruder der Stille?«, schlug Tessa vor. »Im Codex steht, dass die Runen, mit denen die Stillen Brüder sich versehen, so mächtig sind, dass sie ihre Sterblichkeit außer Kraft setzen.«
»Stille Brüder können nicht heiraten, Tessa.« Jem hatte das Kinn gehoben.
Tessa ahnte schon länger, dass sich unter Jems sanftem Wesen ein Widerspruchsgeist verbarg, der Wills Sturheit in nichts nachstand. Und sie konnte es nun in seinen Augen sehen: wie Stahl unter Seide. »Du weißt, dass es mir lieber wäre, du wärst nicht mit mir vermählt, würdest dafür aber leben, als dass du st…« Das Wort schnürte ihr die Kehle zu.
Jems Augen nahmen einen sanfteren Ausdruck an. »Der Weg der Stillen Bruderschaft steht mir nicht offen. Mit dem Yin
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