Clockwork Princess: Chroniken der Schattenjäger (3) (German Edition)
aufgebracht, wie jedes Mal, wenn sie ihre Dienstherrin kritisiert glaubte. »Aber sie ist doch die Sanftheit in Person!«
»Ja – und genau deshalb hat sie ihm ja Angst eingejagt. Sie hat ihn umarmt und ihm gesagt, wenn er im Institut bleiben wolle, würde sie den Vorfall mit meinem Vater zu den Akten legen. Allerdings bin ich mir nicht sicher, welchen Vorfall sie meint«, fügte Gideon trocken hinzu. »Höchstwahrscheinlich, dass Gabriel unseren Vater dabei unterstützt hat, die Institutsleitung zu übernehmen.«
»Könnte Mrs Branwell damit nicht den jüngsten Vorfall gemeint haben?« Sophie schob eine Locke, die sich gelöst hatte, wieder unter ihre Haube. »Den Vorfall mit diesem …«
»… riesigen Wurm? Nein, das glaube ich nicht. Davon abgesehen liegt es nicht in der Natur meines Bruders, von irgendjemandem Vergebung zu erwarten. Er kennt nur strenge Disziplin. Möglicherweise denkt er, dass Charlotte versucht, ihn hereinzulegen, oder dass sie vollkommen verrückt ist. Sie hat ihn zu seinem Zimmer geführt, aber ich glaube, die ganze Geschichte hat ihm Angst eingejagt. Kurz darauf ist er hergekommen, um mit mir darüber zu reden, und dann ist er irgendwann eingeschlafen.« Gideon seufzte und betrachtete seinen Bruder mit einer Mischung aus Zuneigung, Verzweiflung und Trauer, die Sophies Herz schmelzen ließ.
»Und Ihre Schwester …?«, fragte sie vorsichtig.
»Ach, Tatiana würde keine Sekunde darüber nachdenken, hier im Institut zu bleiben«, erklärte Gideon. »Sie ist zu ihren Schwiegereltern, den Blackthorns, geflüchtet. Gott sei Dank! Tatiana mag zwar nicht dumm sein – genau genommen hält sie sich sogar für ausgesprochen intelligent –, aber sie ist ein überhebliches, eitles, junges Ding. Meine Geschwister haben nicht viel füreinander übrig. Außerdem hat Gabriel seit Tagen nicht vernünftig geschlafen. Ganze Nächte hat er allein in diesem vermaledeiten Haus gehockt, im Flur vor der verriegelten Bibliothek, hat gegen die Tür gehämmert, als er von unserem Vater keine Antwort mehr erhielt …«
»Sie machen sich Sorgen um ihn«, bemerkte Sophie.
»Natürlich tue ich das, schließlich ist er mein kleiner Bruder.« Gideon ging zum Bett und strich Gabriel über die zerzausten braunen Haare, der sich daraufhin unruhig im Schlaf drehte, aber nicht aufwachte.
»Ich dachte, er würde es Ihnen nicht verzeihen, dass Sie sich gegen Ihren Vater gestellt haben«, meinte Sophie. »Sie haben selbst gesagt, dass Sie so etwas befürchten würden … dass er Ihr Verhalten als einen Verrat an der Familie, am guten Namen der Lightwoods betrachten würde.«
»Vermutlich hat er inzwischen seine Zweifel am guten Namen der Lightwoods. Genau wie ich damals in Madrid«, sagte Gideon und trat vom Bett zurück.
Sophie senkte den Kopf. »Es tut mir leid«, murmelte sie. »Das, was Ihrem Vater passiert ist. Was auch immer die Leute über ihn sagen oder er möglicherweise getan haben mag, er war dennoch Ihr Vater.«
Gideon wandte sich ihr zu. »Aber, Sophie …«
Sie bemerkte, dass er sie mit ihrem Vornamen angesprochen hatte, tadelte ihn jedoch nicht dafür. »Ich weiß, dass er verwerfliche Dinge getan hat«, räumte sie ein. »Dennoch sollte es Ihnen erlaubt sein, um Ihren Vater zu trauern. Niemand kann Ihnen Ihren Kummer nehmen; der gehört Ihnen ganz allein.«
Behutsam berührte Gideon Sophies Wange mit den Fingerspitzen. »Wussten Sie eigentlich, dass Ihr Name ›Weisheit‹ bedeutet? Ich finde, er passt zu Ihnen.«
Sophie schluckte. »Mr Lightwood …«
Doch seine Finger umfingen sanft ihre Wange und er beugte sich herab, um sie zu küssen. »Sophie«, hauchte er. Und dann fanden sich ihre Lippen und die leichte Berührung wich einem größeren Verlangen, als er sie näher zu sich heranzog.
Vorsichtig umfasste Sophie seine Schultern; dabei fiel ihr Blick auf ihre Hände – furchtbar rau und gerötet vom Waschen und Schrubben und Schleppen und Polieren, sorgte sie sich, doch Gideon schien gar keine Notiz davon zu nehmen. Sie drängte sich näher an ihn, aber ihr Absatz verhakte sich in der Teppichkante und sie verlor das Gleichgewicht.
Gideon fing sie auf, doch sie sanken gemeinsam zu Boden und Sophies Wangen liefen vor Verlegenheit feuerrot an. Gütiger Gott, er musste ja denken, dass sie ihn absichtlich mit sich hinuntergezogen hatte und dass sie irgendein leichtes Mädchen war, das sich der Leidenschaft hingeben wollte! Ihre Haube war ihr vom Kopf gerutscht und die dunklen Locken fielen ihr ins
Weitere Kostenlose Bücher