Clockwork Princess: Chroniken der Schattenjäger (3) (German Edition)
Worten ihr einen heißen Schock versetzen. »Ohne das Yin Fen …«
»… wird er sterben.« Vor der Bibliothekstür hielt Will einen Moment inne; sein Blick traf sich mit Tessas. »Dabei hat er mir noch am Nachmittag endlich die Erlaubnis gegeben, mich nach einem Heilmittel umzusehen. Danach zu suchen. Und jetzt wird er sterben, weil ich ihn nicht lange genug am Leben erhalten kann, bis ich das Mittel gefunden habe.«
»Nein«, sagte Tessa bestimmt. »Er wird nicht sterben. Das werden wir nicht zulassen.«
Will betrat die Bibliothek, mit Tessa an seiner Seite. Sein Blick schweifte über den vertrauten Raum, die Tische mit den Leselampen, die Regale mit den alten Wälzern. »Da waren doch diese Bücher …«, murmelte er, als hätte Tessa überhaupt nichts gesagt. »Bücher, auf die ich damals beim Stöbern gestoßen bin, mit Abhandlungen über seltene Gifte.« Hastig marschierte er auf eines der Regale zu und seine Hände fuhren fieberhaft über die dicken Buchrücken. »Das liegt Jahre zurück … bevor Jem mir jede weitere Suche untersagt hat. Aber ich hab die Titel vergessen …«
Mit wehenden Röcken eilte Tessa an seine Seite. »Will, hör auf.«
»Aber es muss mir doch wieder einfallen.« Hektisch ging er zum nächsten Regal und dann zum übernächsten; seine große, schlanke Gestalt warf einen kantigen Schatten auf den Boden. »Ich muss es finden …«
»Will, du kannst nicht mehr rechtzeitig jedes Buch in der Bibliothek lesen. Hör auf.« Tessa war hinter ihn getreten und stand nun so nah bei ihm, dass sie sehen konnte, wo der Regen seinen Mantelkragen durchnässt hatte. »Das wird Jem auch nicht helfen.«
»Aber was denn dann? Was wird ihm denn helfen?« Will zog ein weiteres Buch aus einem der Regale, warf einen kurzen Blick auf den Titel und ließ es dann auf den Boden fallen.
Bestürzt machte Tessa einen Satz. »Hör auf«, sagte sie erneut, packte Will am Ärmel und drehte ihn zu sich um. Seine Wangen waren gerötet, sein Atem ging stoßweise und sein Arm fühlte sich vor Anspannung steinhart an. »Als du damals nach einem Heilmittel gesucht hast, wusstest du nicht, was du heute weißt. Und du hattest auch nicht die Verbündeten, die du heute hast. Wir werden zu Magnus Bane gehen und ihn fragen. Er hat seine Augen und Ohren überall in der Schattenwelt und kennt jede nur erdenkliche Form der Magie. Magnus hat dir bei deinem Fluch geholfen; bestimmt kann er uns auch hierbei helfen.«
»Es hat nie einen Fluch gegeben«, erwiderte Will automatisch, als würde er eine Zeile aus einem Theaterstück zitieren; seine Augen schauten glasig.
»Will…hör mir zu! Bitte! Lass uns zu Magnus gehen. Er kann uns weiterhelfen.«
Resigniert schloss Will die Augen und holte tief Luft.
Tessa starrte ihn an. Sie konnte einfach nichts dagegen machen – jedes Mal, wenn sie sich unbeobachtet wusste, betrachtete sie seine Züge ausgiebig: seine dichten schwarzen Wimpern, die wie feine Spinnenbeine über die Wangenknochen streiften, seine blassblau schimmernden Lider.
»Ja«, sagte er schließlich. »Ja, natürlich. Tessa, danke – ich hab nicht richtig nachgedacht.«
»Du bist traurig«, räumte sie beschwichtigend ein. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie noch immer seinen Arm festhielt. Sie standen so nah beieinander, dass sie ihm mühelos einen Kuss auf die Wange hätte drücken oder ihm tröstend die Arme um den Hals hätte schlingen können. Tessa trat einen Schritt zurück und gab seinen Arm frei, woraufhin er die Augen aufschlug. »Außerdem hast du gedacht, Jem würde dir niemals erlauben, nach einem Heilmittel zu suchen. Du weißt, dass ich mich mit diesem Gedanken nie habe anfreunden können. Deshalb habe ich immer mal wieder daran gedacht, Magnus einzuschalten.«
Eindringlich betrachtete Will ihr Gesicht. »Aber du hast ihn nicht kontaktiert?«
Tessa schüttelte den Kopf. »Jem wollte es nicht. Doch jetzt … jetzt ist alles anders.«
»Ja.« Will nickte, zog sich einen Schritt zurück und ließ seinen Blick noch einen Moment auf Tessas Gesicht ruhen. »Ich laufe schnell nach unten und bitte Cyril, die Kutsche vorzufahren. Wir treffen uns in ein paar Minuten im Innenhof.«
Adressat: Konsul Josiah Wayland
Absender: Die Kongregation
Verehrter Konsul,
mit größtem Bedauern haben wir den Inhalt Ihres Schreibens zur Kenntnis genommen. Bisher waren wir der Auffassung, dass Charlotte Branwell eine Wahl darstellt, die auch Sie von ganzem Herzen unterstützen würden – zumal sie sich in der
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