Cloudbusters und die Stadt der Schläfer (German Edition)
Ziggedorn geschossen.“
Millis Hände verkrampften sich in ihrem Schoß. „Ist der Ingenieur wieder aufgetaucht?“, fragte sie.
„Ich glaube nicht.“
„Aber - wenn dein Vater den Fall untersucht hat“, fuhr sie fort, „dann hattet ihr auch mit Ziggedorn zu tun.“
Chongs braune Augen flackerten auf. „Mein Vater ist nicht mehr bei der Kripo. Er und sein Kollege wurden total angepisst … das Arschloch Ziggedorn hat -“
„Pscht – nicht so laut!“, ging Anna energisch dazwischen und sah sich vorsorglich im Raum um. Vorn am Eingang saßen drei ältere Männer und würfelten.
„Man ist hier nie unbeobachtet“, flüsterte sie. „Der alte Herr Fischer da vorn, der mit dem hellblauen Hemd, das ist der Vater vom Bürgermeister, und der Sohn vom Bürgermeister ist mit Lucretia befreundet.“
Milli warf einen forschenden Blick auf die beiden Männer, aber die schienen nur Augen für ihr Würfelspiel zu haben.
Chong zog die Brauen hoch. „Damit ihr versteht, was hier vor sich geht“, sagte er zu Milli und Ben, „Annas Mutter kriegt alle möglichen Geschichten zu hören. Dieses Café ist die reinste Gerüchteküche. Aber auf den Seminaren meiner Mutter läuft das genauso. Frauen quasseln und quasseln. Meine Schwester fängt auch schon damit an. Da kann man gar nix machen.“ Zufrieden mit seiner tiefschürfenden Analyse lehnte er sich zurück und wippte mit ausgestreckten Beinen.
„Und deine Eltern“, wandte sich Anna an Milli, „arbeiten die auch bei Ziggedorn?“
Milli schluckte. Man konnte es ihr am Gesicht ansehen, das war genau die Frage, von der sie gehofft hatte, dass niemand sie stellen würde. Was konnte sie schon sagen: meine Mutter sitzt in der Nervenklinik und mein Vater hat Ziggedorns Satelliten geklaut und ist mit ihm spurlos verschwunden?
Sie blickte Hilfe suchend zu Chong, dem war aber gerade nicht danach sie anzusehen. Aber dann sagte er völlig unerwartet: „Du kannst es ihr erzählen. Anna ist okay und Benni Tulpe kriegt eine verpasst, wenn er die Geschichte rausposaunt.“
Ben sprang auf und nahm seine Brille ab.
„Du hast schon wieder -“
„Tschuldigung“, sagte Chong und hüstelte in seine Faust.
Dann ruhten alle Augen auf Milli, die sich abmühte einen lockeren Eindruck zu machen.
„Also - mein Vater ist spurlos verschwunden …“, begann sie.
Das Thema war schwierig geblieben. Sie hatte zwar Übung entwickelt, was sie sagen musste, wenn jemand nach ihrem Vater fragte, aber an den Verlust hatte sie sich nie gewöhnt. Als ihr Vater vor vier Jahren verschwand, ahnte noch niemand, was für eine Lawine das auslösen würde. Mit Tom Fischer ging das Ergebnis eines Jahrzehnts Forschungsarbeit und eine vierstellige Millioneninvestition verloren. Millis Vater war Raumfahrtingenieur bei Ziggedorn Electronics und die Firma wollte ihr Eigentum - angeblich ein Satellit - ihr Geld und ihren guten Ruf zurück. Am Anfang ermittelte die Polizei noch Richtung Entführung, als aber keine Lösegeldforderungen eingingen, begannen sich das Landeskriminalamt und dann Staatsschutz und Geheimdienste in das Leben von Milli und ihrer Mutter zu drängen. Mit Schaudern erinnerte sie sich an den Terror der Hausdurchsuchungen.
Ihre Mutter war tapfer und voller Energie und Kampfbereitschaft gewesen. Die Gemeinheiten der Presse konnten ihr nicht viel anhaben, aber den intelligenteren und gefährlicheren Unterstellungen in den Verhören war sie nicht mehr gewachsen. Man verdächtigte sie als Komplizin ihres Mannes und setzte sie so stark unter Druck, dass sie zusammenbrach und eine Fehlgeburt erlitt. Johanna wurde depressiv und verlor sich in einem Dämmer aus Beruhigungsmitteln und Alkohol. Ihr altes Haus mit dem riesigen Garten begann im Chaos zu versinken. Batori eilte ihnen zu Hilfe und beauftragte Lorenz von Rippel, ihre Finanzen zu regeln. Rippel diagnostizierte Pleite.
„Wir sind dann nach Kreuzberg gezogen“, sagte Milli, „und anfangs lief es auch ganz gut. Meine Mutter fand Arbeit. Und in der Kreuzberger Schule kannte niemand meine Vorgeschichte.“
Milli nahm einen Schluck Kakao und lachte selbstquälerisch. „Keine da-geht-die-Tocher-des-Verbrechers-Blicke mehr. Mann, was war ich damals froh!“
Als sie fertig war, war es still im Raum.
Ben murmelte irgendetwas Unverständliches, was sich wie: tut mir leid anhörte, und Chong sah sie mit leisem Kopfnicken zärtlich an.
„Das ist ja schrecklich“, sagte Anna und zwang sich zu lächeln, „aber warum seid ihr nicht schon
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