Club der gebrochenen Herzen
gewesen.
In diesem Moment klingelte es.
Shirley
Shirley war schon schlecht gelaunt, als sie im Jalalabad ankam. Während der Massage hatte sie ihrer Schwester Julia in der Nebenkabine zugehört, die mit den schulischen Leistungen ihrer Kinder prahlte. Danach hatte sie über ihre Beziehung zu ihrem Mann geredet und stolz erählt, wie sie noch nach zwanzig Jahren Ehe ganz vernarrt ineinander waren und wie er ihr zum Geburtstag Dessous von Ann Summers gekauft hatte. Ihre Stimme war zu einem Flüstern geworden, bis nur noch ein Prusten und Kichern zu hören war.
Und jetzt saßen sie an einem Tisch und lasen die Speisekarten, sie und Julia – Julia, die schlanke Schwester, die hübsche Schwester, die Schwester, die noch großartigen Sex mit ihrem Mann hatte, die vom Urlaub in Thailand gebräunte Schwester. Als Julia ihre Serviette fallen ließ, machten zwei Kellner einen Sturzflug zum Boden.
Shirley bestellte drei Papadams als Vorspeise.
Julia runzelte die Stirn. »Bist du dir ganz sicher?«
»Was meinst du?«
»Na, du weißt schon.«
»Was?«
»Nichts.«
Von da an spitzte es sich zu. Sie waren Geschwister; sie kannten ihre wunden Punkte. Bald fauchten sie sich über den Tisch hinweg an, ignorierten den Kellner, der sich in der Nähe aufhielt, ignorierten die Blicke der anderen Gäste. Später konnte Shirley sich nicht mehr an den Punkt erinnern, wo es krachte, einer von den drei oder vier immer gleichen. Sie erinnerte sich nur, dass sie ihren Stuhl zurückstieß und sagte: »Das muss ich mir nicht bieten lassen.«
Sie erhob sich mit einer bühnenreifen Bewegung, einem Zurückwerfen des Kopfes – Schauspielerin für einen kurzen Moment –, und stolzierte davon.
Auf dem Weg nach Hause brodelte es in ihr, der Magen knurrte vor Hunger, und sie dachte, es geschieht ihr Recht, wenn ich einen Unfall baue! Dann möchte ich ihr Gesicht sehen! Es war erst halb acht, aber schon dunkel. Sie öffnete das Handschuhfach mit einer Hand und stöberte darin herum; wie vermutet, fand sie nichts außer Verpackungspapier. Panik stieg in ihr auf, doch sie versuchte sich zu beruhigen. Bald schon wäre sie daheim, und Nolan würde sie in die Arme schließen. All die aufgestauten Tränen kämen herausgestürzt; Nolan würde Verständnis haben, er war auf ihrer Seite und hasste diese hochnäsige Zicke ebensosehr, er würde sie bis zum Tode verteidigen. Sie würden sich etwas aus der Tiefkühltruhe nehmen – Chicken Tikka Masala oder Rotes-Lamm-Curry –, es in die Mikrowellestellen und ihr eigenes indisches Essen haben. Sie war verrückt gewesen, ihre Schwester zu besuchen, es endete immer in Tränen. Eigentlich war es schon verrückt, überhaupt auszugehen, was sollte das bringen, hatte sie nicht alles, was sie brauchte, zu Hause? Außerdem hatte sie nie etwas zum Anziehen.
Shirley hielt vor ihrem Haus und stellte den Motor ab. Ein Gefühl großer Erleichterung überkam sie. Licht schimmerte durch die Vorhänge des Wohnzimmers. Nolan war daheim. Wie überrascht würde er sein, dass sie so früh zurück war!
Sie ging den kleinen Weg hoch zur Haustür und schloss auf. Stimmengemurmel drang aus dem Wohnzimmer. Sie öffnete die Tür und schaute hinein.
Eine junge Frau war über Nolan gebeugt. Er saß zusammengesunken im Sessel, den Kopf in den Nacken gelegt. Sein Gesicht war blutig.
Shirley schrie laut.
»Hallo, Ma«, sagte Nolan und richtete sich auf. Seine Wangen waren blutverkrustet; ein Auge baumelte an seiner Wange.
Shirley schrie wieder. Ein scharfer Schmerz schoss ihr durch die Brust, und sie fiel auf den Boden.
Buffy
Buffy betrachtete liebevoll seine Gäste, die sich gerade zum Abendessen setzten. Einige trugen ihre neuen Ohrringe; sie glitzerten im Kerzenlicht. Tag zwei, und die Dinge liefen wie geschmiert. Wen kümmerte es, wenn einige die Autowartung hatten sausen lassen und stattdessen Schmuck herstellten? Alles war erlaubt, damit die Gäste bei Laune blieben, und Nolanschien es nichts ausgemacht zu haben. Wenn Buffy im Leben etwas gelernt hatte, dann, dass nichts jemals nach Plan lief.
Zum Beispiel India. Bis vor kurzem war sie ein Mädchen aus dem trendigen Shoreditch gewesen, deren Welt zwischen Brick Lane und Columbia Road eingegrenzt war. Nach Buffys Meinung punkteten seine Einwohner auf der Flachwichser-Skala recht hoch, aber er war auch ein alter Sack. Jetzt jedoch war seine Stieftochter in rasantem Tempo zu den Wonnen kleinstädtischen Lebens bekehrt. Jeder kannte jeden! Man ließ die Fahrräder
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