Club der Verdammten 2 - Liebesseele (German Edition)
Zungen der zutreffenden Bezeichnung Negatives anhafteten.
In der Paranormalwelt gab es nicht nur Ungeheuer; Wesen, die stets Böses taten. Nicht einmal einzelne Spezies waren dazu erkoren, nur gut oder nur schlecht zu sein. Einem jeden denkenden Wesen stand es frei, sich für eine Seite zu entscheiden. Oder sich in einer Grauzone zu bewegen, denn niemals bestand etwas nur aus Schwarz oder Weiß. Das mussten nur viele erst lernen – und manche schafften es nie.
Ein wildes Chaos überfliegend, dass sich auf den Straßen mangels funktionierender Ampelanlagen ausbreitete, konzentrierte Vince sich zunehmend auf die Auswirkungen, die der Stromausfall bisher hervorgerufen hatte. An den Bahnhöfen und U-Bahn-Stationen wimmelte es von Menschen. Das Gedränge war so dicht, wie es selbst kurz nach Ladenschluss am Heiligen Abend nicht sein konnte, wenn jeder wie jetzt nur noch nach Hause wollte. Die Menschen drängten sich auf den verstopften Rolltreppen zu den unterirdischen Stationen, die Schlangen zogen sich teilweise zu vielen Dutzend Metern Länge oder formten dichte Trauben bis auf die Straßen hinaus. Der Zugverkehr stand still, Menschen mussten in den Röhren in festsitzenden U- Bahnen stecken. Arbeiteten die Be- und Entlüftungssysteme noch?
Vince wusste, dass die Versorgung des Bahnstromnetzes eigentlich unabhängig von dem öffentlichen Netz war. Es musste eine Katastrophe größeren Ausmaßes eingetreten sein, wenn gar nichts mehr lief. Aber gab es nicht mehrere unabhängig voneinander arbeitende Versorgungseinrichtungen? Warum schien ganz London gleichermaßen betroffen zu sein? Bestimmt würde nicht jedes Viertel von derselben Quelle abhängig sein.
Er zermarterte sich das Gehirn und betete, dass der Zustand bald ein Ende haben würde. Er musste den Menschen in der Stadt helfen. Da gab es Büros, in denen die Brandmelder Alarm schlugen, weil überlastete Notstromaggregate so viel Rauch produzierten, dass die Menschen panisch die Gebäude verließen. Es gab einigeVerletzte, Prellungen und hier und da einen Knochenbruch, doch damit kamen die Betroffenen noch zurecht.
In einem Hochhaus vernahm er die Hilferufe einer Eingeschlossenen in einem Fahrstuhl. Eine Hochschwangere. Sie saß allein seit nahezu fünf Stunden fest und stand dem Kollabieren nahe. Sie hatte kein Handy dabei und der Notruf im Aufzug funktionierte nicht. Vince setzte zur Landung auf dem Dach an.
„Scheiß Technik!“ Emily warf wütend das Telefon auf den Tisch. Natürlich funktionierte das Festnetz nicht wegen dieses verfluchten Stromausfalls. Der Taxifahrer war seit einer halben Stunde überfällig und jetzt ging auch noch das Handy nicht mehr.
„Kein Netz, na prima.“
Hoffentlich würde ihr Flugzeug überhaupt starten. Betraf der Ausfall nur das Viertel, in dem sich das Hotel befand? Verdammt, die Angestellten wussten von nichts. Fein, dann würde sie eben auf das Gepäck verzichten und selbst zum Flughafen fliegen. Das sollte sie als Krähe hinbekommen.
Emily öffnete das Fenster. Einen Augenblick später hüpfte sie auf das Fensterbrett und im nächsten Moment flatterte sie über das Gehupe der Fahrzeuge und das wütende Geschrei der Menschen hinweg, die in undurchdringlichem Chaos die Straße verstopften. Kein Wunder, dass das Taxi nicht kam.
Emily glitt durch die Luft, die Sonne war bereits untergegangen und der letzte graue Schleier verkündete den Beginn der Nacht. Die Umgebung sah verändert aus, ungewohnt. Obwohl sie viel und gern nachts unterwegs war, unterschied sich diese Nacht von den anderen. Keine Straßenlaterne leuchtete, die Stadt versank im Dunkel. Wenn sie tief genug flog, erkannte sie in den meisten Häusern hinter den Scheiben das Flackern von Kerzenlicht. In manchen Straßen rotierten Blaulichter, und als sie einen Wohnbezirk überflog, lauschte sie der Lautsprecherdurchsage aus einem Polizeiwagen, der langsam durch die Straßen fuhr und dabei durch Vorgärten und über Verkehrsinseln holperte, um sich einen Weg zu bahnen. Sie ging tiefer und landete auf einem Baum.
„… wird die Bevölkerung gebeten, Ruhe zu bewahren. Bitte bleiben Sie in der Nacht in Ihren Häusern. Helfen Sie möglichst Ihren Nachbarn, achten Sie darauf, ob irgendwo Kinder allein zu Hause sind, weil die Eltern möglicherweise in einem Verkehrsstau stecken. Helfen Sie sich gegenseitig mit Batterien, Kerzen, Zündhölzern, Wasser und Lebensmitteln aus. Bitte zeigen Sie Verantwortungsbewusstsein und Nächstenliebe …“
Bla, bla, bla.
Weitere Kostenlose Bücher