Club der Verdammten 2 - Liebesseele (German Edition)
ausgefallen, die Straßen vollends verstopft. Dein Kerl wird so schnell nicht nach Hause kommen. Habt ihr keinen Gaskocher, auf dem du kochen kannst? Also, ich und mein Teddybär, wir haben ja schon lange für so etwas vorgesorgt …“
Vince schaltete ab. Das hörte sich nach einem endlosen Monolog an und das brauchte er nicht. Die Leute schienen mehr oder weniger unwissend zu sein. Obwohl die Information mit dem Umschaltwerk schon eine Menge wert war. Falls sie denn zutreffend war. Er beschloss, Seb anzurufen. Vielleicht wussten er oder Jonathan etwas. Die beiden bewohnten gemeinsam eine Studentenbude in der Nähe der Uni. Das Rufzeichen erklang, Seb nahm ab.
„Hi Seb. Ich bin’s, Vince.“
„Sehe ich an deiner Nummer, Big Daddy.“
Vince ging über den spöttelnden Tonfall hinweg. „Jungs, habt ihr bei euch auch seit Stunden einen Stromausfall?“
„Nö.“
„Seid ihr überhaupt in London?“
„Nö.“
„Verdammt. Habt ihr etwas über den Ausfall gehört? Die halbe Stadt scheint lahmgelegt. Ein Umschaltwerk könnte von einer Überspannung betroffen sein.“
„Big Daddy, wir sind seit gestern mit den Karren in den Highlands unterwegs. Hast du vergessen, dass wir diese Woche einen Ausflug machen?“
„Ah shit. Ja. Daran habe ich nicht mehr gedacht.“
„Ich wette mein rechtes Ei, dass du über deinen blöden Büchern gehockt und wahrscheinlich sogar das Pissenvergessen hast.“
„Blödmann.“
„Danke. Jetzt noch mal zusammenfassend. London ist also ohne Strom?“
„Ja, seit sechs oder sieben Stunden.“
„Und keiner weiß, was los ist?“
„Genau so ist es, Schlaumeier.“
„Hey, hey. Keine Beleidigungen. Ich werd mal die Ohren ein wenig aufsperren, ich melde mich, wenn ich was rauskriege.“
„Besser etwas mehr als ein wenig … die Leute fangen an, unruhig zu werden.“ Vince wandte mit wachsender Besorgnis den Blick von der Straße ab, wo zwei Jugendliche sich hin- und herschubsten, offenbar im Kampf um eine Taschenlampe begriffen. Brüder, stellte er fest, nachdem er kurz mental in ihre Köpfe eingedrungen war. Jeder von ihnen wollte derjenige sein, der der Mutter die Angst vor der Dunkelheit der bald einbrechenden Nacht nehmen wollte.
„Okay, okay, Big Daddy. Wir hören uns.“
Vince schluckte einen bissigen Kommentar hinunter. Ihn plagte das unbestimmte Gefühl, dass Seb die Sache besser ernster nehmen sollte, als seine Flapsigkeit den Anschein gab. Woher dieser Eindruck stammte, vermochte er nicht zu sagen, aber er wünschte, dass ihn seine Intuition trügen würde. Das war nur leider bisher nie der Fall gewesen.
Er warf das Handy auf die Couch und ging in die Küche. Als er die Hand zur Kaffeemaschine ausstreckte, entfuhr ihm ein ganz und gar nicht jugendfreier Fluch. Noch immer Gift und Galle spuckend, dass er nicht zu seinem Lieblingsgetränk kommen würde, griff er sein Schlüsselbund und verließ die Wohnung. Statt auf die Straße zu gehen, stieg Vince die Treppen hinauf, bis er das Flachdach des Gebäudes erreichte. Verborgen hinter einem massigen Schornstein verwandelte er sich in eine unauffällige Straßentaube. Wie bei seinen Freunden, den Schattenseelen, funktionierte die Umwandlung durch blitzschnelle Auflösung der Moleküle und Zusammensetzung zu einer neuen Form, nur dass er im Gegensatz zu ihnen beliebige Tiergestalten annehmen und auch deren Fähigkeiten nutzen konnte. Sämtliche Chromosomenstränge ordneten sich während des Umwandlungsprozesses neu. Sein eigenes Denkvermögen blieb Gott sei Dank vorhanden. Vince hätte es grausig gefunden, nach der Translokation den Verstand eines Regenwurms bemühen zu müssen …
Sobald er die dreißig erreichte, würden sich seine Kräfte noch einmal verändern. Von da an konnte er auch beliebige Formen anderer Spezies annehmen. Menschen. Werwölfe. Vampire. Und seine Heilkräfte würden vollends ausgeprägt sein. Was zurzeit noch sehr schwierig war, sollte später seine höchste Gabe sein. Genesung und Kraft aus seinen Händen in fremde Körper strömen lassen. Das war die Aufgabe seiner Gestaltwandlerfamilie. Hilfe geben, wo andere Mittel versagten. Wo das Herz danach schrie, dem Schicksal ein Schnippchen zu schlagen. Leben und Genesung zu schenken, wo der Tod bereits seine Fänge ausstreckte. Das Studium der Medizin würde die Grundlage bilden. Die Welt des Paranormalen war groß und weit. Nicht umsonst gab es viele Ärzte, die nicht zu unrecht als „Halbgötter in Weiß“ bezeichnet wurden, auch wenn böse
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