Club Noir - 1
beiden Frauen am Ende der Theke laut auflachten und gleich darauf eng umschlungen aus ihrem Blickfeld verschwanden.
Was war das nur für eine merkwürdige Bar? Etwas Ähnliches hatte sie nie zuvor erlebt.
„So was machen sie öfter. Sie sollten sich nichts dabei denken“, raunte ihr eine angenehme Stimme von der Seite zu.
Sie drehte sich halb um und fand sich einem attraktiven Mann in einem vornehmen Anzug gegenüber. Dunkelbraunes kurzes Haar umrahmte sein markantes Gesicht. Mit einem gewinnenden Lächeln brachte er sie dazu, sich nicht nur unwohl, sondern auch noch töricht zu fühlen. Das Blut schoss ihr in die Wangen. In diesem Moment war sie dankbar um das schummrige Licht.
„Sie sind neu hier, habe ich Recht?“
Jesse nickte.
„Ich bin Louis.“ Er streckte ihr die Hand entgegen, die sie nur zögernd annahm.
„Sie brauchen keine Angst vor mir zu haben. Ich beiße nicht. Jedenfalls nicht mehr heute Abend.“
Seine Worte kamen ihr merkwürdig vor. Sie beschloss jedoch, nicht weiter darüber nachzudenken. Stattdessen legte sie endlich einen freundlichen Gesichtsausdruck auf. „Jesse. Ich bin gerade erst aus England hier angekommen.“
„Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen.“ Galant deutete er eine Verbeugung an.
Jesse lächelte nervös. Es hätte nur noch gefehlt, dass er ihr einen Kuss auf den Handrücken hauchte. Um ihn gar nicht erst auf falsche Gedanken zu bringen, entwand sie ihm ihre Hand und griff nach der Bloody Mary.
„Oh, nicht doch.“ Louis hielt sie am Arm, um sie am Trinken zu hindern. „Das sollten Sie nicht trinken. Das ist Gift für eine junge, hübsche Frau wie Sie.“
„Was stimmt damit nicht?“ Jesse war verwirrt.
„Es würde Sie nur schwindelig machen.“
Sie verstand immer noch nicht. Das hielt Louis jedoch nicht davon ab, ein anderes Getränk für sie zu ordern. Mit dem Barkeeper wechselte er einen viel sagenden Blick, bevor dieser ein frisches Glas nahm und es füllte. Er holte weit aus, bevor er den Drink vor Jesse auf dem Tresen abstellte.
„Für die Lady.“ Wieder dieses Zwinkern. Jesse senkte den Blick. Am liebsten wäre sie Hals über Kopf aus dieser merkwürdigen Bar getürmt. Was hatte sie nur dorthin getrieben?
„Geht es Ihnen nicht gut?“ Louis legte besorgt eine Hand auf ihren Arm. Sie spürte seine Berührung durch den sanften Druck. Es lag eine Art Erwartung darin, der Jesse nicht standhalten konnte.
„Könnten Sie mir wohl sagen, wo ich die Toilette finde?“ Es war das Einzige, was ihr in diesem Moment in den Sinn kommen wollte.
„Die Toilette?“ Er grinste. „Natürlich.“ Mit einem Augenzwinkern straffte er den Oberkörper und machte eine Kopfbewegung zur Seite. „Dort entlang. An den Tischen vorbei. Es ist nicht zu verfehlen.“
Jesse glaubte einen schelmischen Unterton in seiner Stimme zu hören. Hatte er etwa ihre Verwirrung bemerkt? Oder gar den Argwohn, mit dem sie ihn und die anderen Gäste betrachtete? Doch sie bemühte sich inständig, all ihre Bedenken zu unterdrücken.
Sie hauchte ihm ein kaum hörbares „Danke“ zu, bevor sie sich an ihm vorbeischob.
„Sie haben doch nicht vor, mich hier allzu lange alleine stehen zu lassen oder?“ Sein Lächeln war wirklich unwiderstehlich. Aus irgendeinem Grund wollte sie sich jedoch nicht gänzlich auf seinen Charme einlassen. So schenkte sie ihm lediglich einen freundlichen Blick, dann wandte sie sich endlich ab und ging unsicheren Schrittes an den Tischen vorbei.
Tatsächlich war die Toilette nicht zu übersehen. Die dunkle Tür wirkte regelrecht schick, gerade so, als würde sie Einlass in eine ganz besondere Räumlichkeit bieten. In Augenhöhe prangte eine stilvolle Zeichnung einer leicht bekleideten Dame. Darunter stand in geschwungenen Lettern „Mademoiselle“.
Jesse drückte die goldene Klinke hinunter und schob die Tür vorsichtig auf. Tatsächlich rechnete sie beinahe damit, jemanden zu stören, was ihr im nächsten Moment mehr als wahrscheinlich erschien. Sie hörte Geräusche. Ein Rascheln, eine hektische Bewegung und schließlich ein Poltern.
Wie angewurzelt blieb Jesse stehen und lauschte. Hatte sie sich vielleicht doch in der Tür geirrt? Aber nein! Sie schalt sich selbst einen Dummkopf. Fliesen zogen sich über den Fußboden und Wände und direkt neben ihr befanden sich zwei Waschbecken. Dann entdeckte sie jedoch etwas. Um die Ecke – drei, vier Schritte von ihr entfernt, hielt sich tatsächlich jemand versteckt. Nein, stellte sie fest, es waren sogar
Weitere Kostenlose Bücher