Club Noir - 1
In der nächsten Nacht werde ich meine Kräfte brauchen.“
Jesse verzog schmollend den Mund. „Du legst dich jetzt in deinen Sarg?“
Er schüttelte den Kopf. „Ich bleibe bei dir, wenn du es möchtest. Aber ich werde dir wie tot erscheinen, wenn ich neben dir im Bett liege.“
Dieser Gedanke verursachte ihr Unbehagen. Dennoch wollte sie in seiner Nähe bleiben und so teilte sie zum ersten Mal den Tag mit einem Untoten an ihrer Seite. Sie versuchte ebenfalls zu schlafen, zumal sie die ganze Nacht auf den Beinen gewesen war. Dennoch hatte sie damit ihre Schwierigkeiten. Immer wieder setzte sie sich auf und betrachtete Andrews leblosen Körper. Sie streckte eine Hand nach ihm aus und berührte seine kalte Haut. In diesem Augenblick verschwand auch der letzte Zweifel in ihr – Vampire existierten wirklich! Wie würde es sich wohl anfühlen, so zu sein wie er?
Schließlich legte sie sich auf die Seite, ganz dicht neben ihn, die Hand auf seinem Brustkorb ruhend. Ohne es zu bemerken, fielen ihr nach einer Weile ganz von selbst die Augen zu.
Sanfte Küsse auf ihre Schulter und die Halsbeuge weckten sie nach Einbruch der Nacht. Sie rollte sich seufzend auf den Rücken. Glückselig schlug sie die Augen auf und erblickte Andrew. Er fuhr mit dem Zeigefinger die Konturen ihres Gesichtes nach. In sein Lächeln mischte sich jedoch ein Funke Wehmut.
„Du musst gehen“, stellte sie fest.
„Ich werde schnell wieder zurück sein. Mach dir keine Sorgen.“
Erst da fiel ihr auf, dass er sich bereits angekleidet hatte. Sie sah ihm traurig nach, als er das Schlafzimmer verließ.
„Du kommst spät. Sie hält dich zu sehr auf.“ Pascal erwartete Andrew bereits im Flur. Dieser ignorierte die Anspielung schlichtweg.
„Wie ist die Lage?“
„Die Vampire sind unten im Büro. Sie erwarten dich.“
„Gut.“ Andrew wollte keine Zeit verschwenden und die Angelegenheit so schnell wie möglich hinter sich bringen. Er rechnete bereits mit Aufruhr und Widerstand. Womöglich würden sie sogar versuchen, seine Autorität zu untergraben.
Pascal betrat hinter ihm das Büro und schloss die Tür. Angespannte Gesichter empfingen Andrew. Die Luft roch merkwürdig. Es brodelte regelrecht von aufgebrachten Gefühlen. Doch Andrew ließ sich nicht beirren. Festen Schrittes trat er hinter seinen Schreibtisch, setzte sich jedoch nicht, sondern stützte sich mit den Händen auf der Tischoberfläche vor.
„Ihr habt sicher Gerüchte gehört“, begann er. „Ich werde euch die Wahrheit nicht vorenthalten. Aber ich werde auch keine vorschnellen Urteile hinnehmen. Ich bin Louis nach London gefolgt, um meine Gefährtin vor ihm zu beschützen. Louis ist tot.“
„Du hast ihn umgebracht“, zischte eine Stimme aus dem Schatten einer Raumecke. Es war Pierre, der Barkeeper, der hervortrat und Andrew angriffslustig anfunkelte. Zeit seines Daseins hatte er sich stets mit Louis verschworen.
Andrew hielt seinem eindringlichen Blick stand. „Ich habe mich ihm im Kampf gestellt und war ihm überlegen.“
„Das ändert nichts an den Tatsachen!“ Pierre sprang wie eine Wildkatze auf den Schreibtisch zu. Seine langen Haare flogen durch die Luft. Mit beiden Händen packte er Andrew am Kragen und wollte ihn von den Füßen reißen. Doch dieser wehrte Pierres Angriff mit Leichtigkeit ab. Er entzog sich mit einem Ruck dem Griff und trat einen Schritt zurück. Pierre lag halb auf dem Tisch und starrte wütend zu ihm auf.
„Fordere mich nicht heraus.“ Es sollte keine direkte Drohung sein. Allerdings würde Andrew einem Kampf nicht ausweichen und seine Macht ein weiteres Mal unter Beweis stellen, wenn es nötig war.
Pierre knurrte. Seine spitzen Zähne traten gefährlich hervor. Andrews Warnung zum Trotz wand er sich schlangengleich herum und geriet sogleich wieder auf die Beine. Niemand – ausgenommen Pascal – bemerkte, wie Andrews Hand in eine der Schreibtischschubladen glitt.
In einem zweiten Angriff warf Pierre Andrew zu Boden. Er lag zunächst auf ihm und wollte sich in seiner Kehle verbeißen, wurde aber schnell auf den Rücken geschleudert. Andrew platzierte die Spitze eines Dolches auf Pierres Brust direkt über seinem Herzen.
Pierre keuchte.
Eine eisige Stille legte sich über den Raum. Pascal verharrte aufmerksam – jeden einzelnen der Anwesenden beobachtend – bereit, seinen Anführer zu unterstützen. Aber keiner der Vampire wagte einen neuerlichen Vorstoß. Sie warteten, bis Pierre locker ließ und sich geschlagen gab. Andrew hatte
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