Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung
bei der gestalttherapeutischen Traumdeutung (
Perls
1969), die auch für die therapeutische Medienarbeit adaptiert wurde (
Petzold, Orth
1990). Sie beinhaltet nämlich eine Form der Ausdeutung, bei der die Autonomie von Klienten in besonderer Weise gefördert wird
bzw. erhalten bleibt. Im Folgenden will ich wichtige Prämissen dieser Deutungsarbeit erläutern.
Jede Produktion ist ein Teil des Kreators
Jede Produktion, sei es ein Traum oder ein gemaltes Bild, wird als Teil des Menschen betrachtet, der den Traum oder das Bild
produziert hat. Auch bei einzelnen Elementen eines Bildes oder einer Tonplastik geht die Gestalttherapie davon aus, dass sie
personale Anteile dieses einen Menschen |297| repräsentieren.
Perls
postulierte, dass in Träumen oder in anderen Produktionen Botschaften für den Kreator enthalten sind, die nur er selbst erschließen
kann. Ähnliche Positionen finden wir schon in der klassischen Psychoanalyse, wonach alle gegenständlichen und nichtgegenständlichen
Manifestationen persönlichen Ausdrucks als »Projektionen« eines Menschen begriffen werden. Und damit gelten sie ebenfalls
als Teile von ihm selbst.
Fremddeutungen sind nicht akzeptabel
Eine grundlegende Prämisse des vorliegenden Coaching-Ansatzes ist, dass Fremddeutungen, also Deutungen durch den Coach, durch
Gruppen oder Teammitglieder, nicht akzeptabel sind. Anders nämlich als in der Psychoanalyse, wo im Stile der Freudschen Traumdeutung
bestimmten Symbolen oder Farben immer wieder bestimmte Deutungen zugeordnet werden, muss in diesem Ansatz jede Botschaft vom
Klienten selbst ermittelt werden. So gilt es hier auch als unerwünscht, wenn Mitklienten auf den Bildern anderer sofort längliche
Gegenstände als »Penis« und runde als »Vagina« interpretieren. Der Coach sollte in derartigen Fällen sofort mit dem Hinweis
intervenieren, dass Menschen die symbolische Bedeutung von Produktionen anderer niemals definitiv wissen können.
Wie ich im Zusammenhang mit den »Anforderungen an das Coaching-Konzept« formuliert habe, ruht dieser Coaching-Ansatz auf erkenntnistheoretischen
Prämissen, wonach jede Welterfahrung als subjektives Phänomen betrachtet und dementsprechend jedes Erkennen als ein subjektiver
Vorgang begriffen wird. So kann ein Mensch A letztlich niemals genau wissen, was ein anderer Mensch B beim Malen eines Bildes
oder beim Gestalten einer Tonplastik erlebt oder gedacht hat.
Der Coach fungiert bei Deutungen als »Hebamme«
Die Ausdeutung von Produktionen erfolgt im Dialog. Der Coach hat dabei eine strukturierende, nicht eine deutende Funktion.
Es ist seine Aufgabe, den Klienten bei eigenen Ausdeutungen zu unterstützen. Im Verlauf eines solchen Dialogprozesses bringt
der Coach seine Eindrücke ins Gespräch ein. Seine Statements sind aber keine distanzierten Deutungen, sondern gefühlshafte
Assoziationen, die primär aus der Identifikation mit dem Klienten erfolgen. Der Coach fungiert also eher als »Hebamme« für |298| die Selbstdeutungen von Klienten. Diese Funktion kann er allerdings nur dann wahrnehmen, wenn sein Interaktionsstil eine flexible
Balance zwischen Direktivität und Nondirektivität und zwischen Zurückhaltung und Echtheit aufweist.
Deutungen sollten auf persönliches Erleben bezogen sein
Die Selbstdeutungen von Klienten müssen aber vom Coach sorgsam begleitet werden. Sie sollten nie von der Erfahrung losgelöste
Abstraktionen darstellen, sondern mit dem Erleben der Klienten in Verbindung stehen. Hier ist es sinnvoll, Klienten anzuleiten,
dass sie sich mit bestimmten Teilen ihrer Produktion identifizieren oder mit der Produktion im Ganzen. Im Sinne erlebnisorientierter
Arbeit können Klienten auch um einen Dialog mit ihrer Produktion oder mit Teilen von ihr gebeten werden. Das Erleben aus der
Identifikation oder aus dem Dialog teilen Klienten dem Coach mit. Dieser versucht, die Mitteilungen zu strukturieren und weitere
Interventionen im Sinne von Nachfragen usw. zu entwickeln. Der Dialog zwischen Coach und Klient dauert so lange, bis der Klient
»seine« je spezifische Botschaft aus seinem »Werk« gefunden hat. Anhand des nachfolgenden Beispiels soll ein derartiger Ausdeutungsprozess
plastisch werden:
Der leitende Psychologe einer Fachklinik bat um Coaching, weil er sich an seinem Arbeitsplatz sehr unwohl gefühlt und diesen
sogar schon gekündigt hatte. Er wollte nun vor seinem endgültigen Weggang herausarbeiten, warum er sich so
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