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Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung

Titel: Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Schreyoegg
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»miserabel« gefühlt
     hatte, wie er die letzten Monate an seinem Arbeitsplatz konstruktiver als bisher für sich nutzen könne und wie er auf der
     nächsten Stelle die erlebte Problematik möglichst vermeiden könne. Die erste Coaching-Sitzung verbrachten wir mit einer Rekonstruktion
     seines Arbeitsplatzes, bei der er anhand eines gemalten Bildes die formalen und informellen Phänomene der Einrichtung für
     sich präzisierte. Ermutigt durch die Medienarbeit teilte er mit, dass er gerne Tonarbeiten herstelle, und schlug deshalb von
     sich aus vor, zur zweiten Stunde eine selbst gefertigte Tonplastik zu »seiner Misere in der Klinik« mitzubringen.
    Zu Beginn der nachfolgenden Sitzung hob er aus einer Schachtel eine Plastik, aus deren Mitte eine große menschliche Gestalt
     ragte. An ihrem Hals hing eine an der großen Figur Halt suchende kleinere. Um die Basis der großen Figur lagen zusammengekauert
     zwei kleine Figuren. Auf den Gesichtern der beiden Kauernden ruhten die Füße der Figur, die an der großen hing.
    Zunächst bat ich den Klienten, die Tonplastik im Ganzen anzusehen und seinen Eindruck zu schildern. Er meinte: »Unangenehm,
     bedrängend, irgendwie so |299| unfrei.« Ich sagte: »Mich erinnert das an eine Laokoon-Gruppe.« Klient: »Ja, scheußlich, aber hier sind ja nicht einmal Schlangen
     dabei.« Er schüttelte sich etwas und setzte hinzu: »Da sind sogar die Schlangen weggekrochen, weil es hier nichts zu beißen
     gibt.« Ich bat den Klienten, die zentrale Figur der Plastik zu »sein« und diese Position einmal leiblich auszuspüren. Der
     Klient stellte sich sehr gerade im Raum auf und pumpte nach Luft, als wollte er den gesamten Raum ausfüllen. »Ich bin mächtig«,
     kam es tief aus seiner Brust, »um mich dreht sich alles, aber ich lasse nichts wirklich an mich heran.« Jetzt fiel mir auf,
     dass die Zentralfigur der Plastik den linken Arm vor die Brust hielt, sodass die andere, die sich anhängende Figur nicht an
     der Brust der großen liegen konnte. »Du meine Güte«, der Klient setzte sich wieder, »das ist ja entsetzlich anstrengend, aber
     es ist auch toll, so mächtig zu sein«. Er murmelte: »Ja, so wäre ich gerne in der Klinik gewesen, aber die haben mich nicht
     so sein lassen.« Ich bat ihn nun, diejenige Figur zu verkörpern, die sich an die Zentralfigur anhing. »So kann ich mich gar
     nicht halten«, meinte er. »Als diese Figur habe ich überhaupt keine Mitte.« Zur Verkörperung dieser Figur schlug ich ihm vor,
     sich am Türstock meines Arbeitszimmers festzuhalten. »Entsetzlich, völlig verdreht bin ich, genauso fühle ich mich meistens
     in der Klinik.« »Und die Füße«, meinte ich, »die auf den Gesichtern der beiden unten liegen?« »Das ist mir ganz egal, ich
     muss mich ja irgendwie halten«, antwortete der Klient in seiner augenblicklichen Rolle. »Um die kann ich mich nicht mehr kümmern,
     die müssen selbst schauen, wo sie bleiben. Das ist bei uns auch so, jeder muss für sich selbst sorgen.« Nun bat ich den Klienten,
     eine der unten liegenden Figuren zu verkörpern. Er legte sich dazu eingerollt auf den Boden und begann schwer zu atmen. »Das
     ist ja irre«, stöhnte er, »ich fühle mich verdammt zu dieser Position, ich kann gar nicht anders, als so liegen.« Der Klient
     stand nun langsam wieder auf, setzte sich auf seinen Stuhl und sah bekümmert vor sich hin.
    »Was erleben Sie denn jetzt?« fragte ich. »Jede Figur ist ungesund, keine ist authentisch, der eine bläst sich auf, die anderen
     krümmen sich um ihn herum.« – »Kommt Ihnen das bekannt vor?« fragte ich. »Oje, so war das schon in meiner Therapieausbildung,
     und die meisten in der Klinik sind ja von dort.« Er erzählte nun ausführlich, wie sich auch dort alles um einen »omnipotenten«
     Leiter drehte. Nach einigen Jahren Zugehörigkeit hatte er sich deshalb auch aus dem Ausbildungssystem zurückgezogen. Nun fiel
     dem Klienten ein, dass sein Vater in der Familie auch immer so eine »Scheinpotenz« zur Schau getragen hatte. Der Klient und
     seine drei Brüder mussten immer nach seiner Pfeife tanzen. Er berichtete, dass er sich nach seiner Ablösung aus der Familie
     dem Therapieausbildungssystem zugesellt hatte und durch diese Connections auch in der Klinik gelandet war. »Das sind ja alles
     strukturgleiche Milieus«, stellte er entsetzt fest. Ich meinte: »Das scheinen ja alles hochrivalisierende Männermilieus zu
     sein.« Dem Klienten fiel es jetzt wie Schuppen von den Augen.

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