Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung
kam hinzu, dass die Einrichtung samt
Trägervertretern dezidiert anti-hierarchische Kulturmuster vertrat. So hatte der neue Leiter nicht nur seine eigene Beklommenheit
in der neuen Rolle zu handhaben, sondern in seinem gesamten Handeln auch Vorbehalte von Mitarbeitern und Vorgesetzten zu berücksichtigen.
Vielen Managern aus Betrieben ist ein grundlegendes Managementwissen schon geläufig. Für sie ist oft eher eine Feinarbeit
relevant. Sie wollen z. B. erarbeiten, wie sich einzelne Führungsfunktionen sinnvoller und breiter wahrnehmen lassen, wie
man besser delegieren kann, wie Gespräche mit unterstellten Mitarbeitern angemessener als bisher anzulegen sind oder was bei
der Implementierung von Innovationen zu bedenken ist.
Der Personalleiter eines Mittelbetriebes monierte ein Leistungsbeurteilungssystem, das sein Vorgänger in der Firma etabliert
hatte. Ihm schienen nicht nur die Kategorien verengt und verhältnismäßig restriktiv, er kritisierte auch die einseitige Beurteilungsrichtung.
Er wollte nun ein reversibles Mitarbeiter-Beurteilungssystem (
Selbach, Pullig
1992) einführen, bei dem auch die Vorgesetzten von ihren unterstellten Mitarbeitern beurteilt werden. Nachdem er diese »frohe
Botschaft« in der Vorstandsetage verkündet hatte, brach in dem verhältnismäßig konservativen Unternehmen ein Sturm der Entrüstung
los. Selbst der Betriebsrat, von dem sich der Personalleiter Unterstützung erhofft hatte, zog die Augenbrauen skeptisch hoch.
Der Personalmanager hätte sein Vorhaben in diesem System vielleicht gar nicht vorzubringen gewagt, wenn ihn nicht der oberste
Chef, der ihn eigens als Innovator engagiert hatte und der ebenfalls erst vor kurzem in die Firma eingetreten war, zu solchen
demokratisierenden Maßnahmen ermuntert hätte. Es kostete den Personalchef aber einige Mühe, bis er den Änderungswiderstand
der Führungsetage so weit mildern konnte, dass mit einer Beschulung für das neue Beurteilungssystem begonnen werden konnte.
Im Verlauf eines längeren Coaching-Prozesses |158| erhielt er Unterstützung, sein Konzept besonders für die »Kulturbewahrer« in der Firma immer akzeptabler zu machen.
Dieses Beispiel zeigt, dass es oft ein zentrales Ziel von Coaching darstellt, Führungskräfte bei der Umsetzung ihres schon
vorhandenen Managementwissens zu unterstützen. Ähnliche Situationen begegnen uns auch bei Freiberuflern.
Die Praxis eines Allgemeinmediziners hatte sich durch den Neubau eines Seniorenheims in der Nähe fast verdoppelt. So musste
der Arzt zu seinen bisher zwei langjährigen Mitarbeiterinnen dringend eine weitere engagieren. Die Situation für die neue
Frau gestaltete sich katastrophal. Hinter seinem Rücken wurde sie von den beiden Altgedienten ständig »ausgehebelt«, d. h.
wichtige Informationen wurden nicht weitergegeben, bestimmte Vorgänge nicht erläutert, und sie wurde überhaupt nur pro forma
eingearbeitet. Die Lage verschärfte sich zu einem regelrechten Mobbing-Prozess, sodass die neue Mitarbeiterin die Arbeit kündigen
wollte. Nun musste der Arzt, der durch den neuen Arbeitsanfall ebenfalls stark belastet war und die Situation deshalb zunächst
bagatellisiert hatte, entschiedener in das Geschehen eingreifen als bisher. Die beiden langjährigen Mitarbeiterinnen wiegelten
in seiner Anwesenheit zunächst alle Klagen der Neuen ab. Im Verlauf einiger Coaching-Stunden erwarb der Arzt mehr Sicherheit
und Klarheit, der neuen Mitarbeiterin bei den anderen Geltung zu verschaffen. Seine bislang geübte emotional orientierte Führungshaltung
griff in dieser Situation nicht mehr. Jetzt war vorübergehend ein strikterer Leiterstil indiziert, der auch klare Anweisungen
einschloss, der aber vor allem darin bestand, die beiden alten zu einer offenen Auseinandersetzung mit der neuen Mitarbeiterin
zu bewegen.
Steigerung konzeptioneller Managementkompetenzen
Wenn Coaching auf die Förderung konzeptioneller Kompetenzen abzielt, steht die Flexibilisierung von Wahrnehmungs- und Denkmustern
im Vordergrund. Der Erwerb konzeptioneller Managementkompetenzen ist ganz vorrangig an die Möglichkeit gebunden, Einzelphänomene
im Beruf auf der Folie unterschiedlicher Strukturmuster zu sehen. Dabei muss der Standort der Betrachtung immer wieder gewechselt,
das Wahrgenommene nach verschiedenen Kategorien strukturiert und auf seine jeweiligen Konsequenzen hin untersucht werden.
Coaching hat hier die Funktion, Prozesse
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