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Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung

Titel: Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Schreyoegg
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des Coach zu untersuchen. Und bei Bedarf kann sich der
     Coaching-Klient im gezielten Rollentausch auch mit dem Erleben seines
Alter Ego
auseinander setzen.
     
    Im soeben angeführten Beispiel bat ich den Manager, einen Rollentausch mit der Sekretärin vorzunehmen. Nach anfänglichem Unbehagen
     in ihrer Rolle erspürte er nicht nur ihre tiefe Beunruhigung über den Verlust des Freundes, er nahm sich aus ihren Augen plötzlich
     auch als »strengen« und »wenig duldsamen« Vorgesetzten wahr.
     
    Eine solche szenische Aktualisierung macht also für Klienten weit über die sprachliche Darstellung hinaus phänomenale Elemente
     und Strukturen einer Situation deutlich.
     
    So nahm der Vorgesetzte nun etwa die bedrückte Sitzhaltung der Sekretärin erst richtig wahr. Und im Rollentausch erspürte
     er, wie er auf sie wirkte und wie ihre Bedrücktheit durch ihn noch verschärft wurde.
    Die Bedeutung szenischer Rekonstruktionen für den Coach
    Szenische Verlebendigung ermöglicht im Allgemeinen auch dem Coach eine umfassende Teilhabe an der Praxissituation. Sie ruft
     bei ihm vergleichbare |177| arbeits- und privatweltliche Szenen wach. Auf der Basis dieser »privaten« Strukturmuster, aber auch auf dem Hintergrund dazu
     passender sozialwissenschaftlicher Theorien bildet er weitere Arbeitshypothesen, deutet und strukturiert nun gleichfalls das
     szenische Material. Seine Ausdeutungen bilden dann in möglichst bewusst strukturierter Form die Grundlage für weitere Interventionen,
     d. h. für weitere Nachfragen, weitere Vorschläge zur Methodenanwendung usw.
     
    Die szenische Darstellung der Interaktion zwischen Sekretärin und Führungskraft aktivierte in der Beraterin z. B. Erinnerungen
     an eine Bekannte, die nach dem Verlust ihres Freundes ähnlich inaktiv geworden war und in ihrer Umwelt auf ähnliche Reaktionen
     stieß. Die Beraterin »sah« wieder, wie sich die Bekannte verlangsamt bewegte, »hörte« wieder, wie sie getragen sprach usw.
     Und im inneren Rollentausch mit der Sekretärin spürte sie auch ein »ängstliches Magendrücken«, das übermäßig fordernde Vorgesetze
     in ihr schon erzeugt hatten. Alle diese »Impressionen« weckten kognitive Muster zu der gesamten szenischen Gestalt. Die Beraterin
     ließ all dies in sich auftauchen, strukturierte es auf dem Hintergrund unterschiedlicher sozialwissenschaftlicher Konzepte
     und verwendete es zu Interventionen. Daraus entstanden z. B. gezielte Nachfragen nach der sonstigen lebensweltlichen Situation
     der Sekretärin usw.
     
    Erleben und Strukturieren der rekonstruierten Szene fließen in den Dialog zwischen Klient und Coach ein. Ziel ist dabei, neue
     situationsadäquate Ausdeutungen zu finden. Die Fragestellung des Klienten ist präzisiert, wenn die neu gefundene Ausdeutung
     für ihn evident ist, d. h. wenn er sagen kann: »Jetzt verstehe ich, wie die Sache gelagert ist.« Erst im Anschluss an solche
     Sequenzen lässt sich auch bestimmen, welches der Muster des Klienten im Einzelnen verändert werden soll.
    1.3 Die Bedeutung multiperspektivischer Rekonstruktionen
    Bei Rekonstruktionen ist allerdings entscheidend, dass sie weit über das vom Klienten ursprünglich vorgebrachte Problemverständnis
     hinaus neue Phänomene »sichtbar« machen können. Erst auf diesem Wege werden nämlich Klienten aus ihrer eigenen
perspektivischen Verengung
befreit. Wenn wir uns verdeutlichen, dass Coaching-Klienten vor allem deshalb einen Berater aufsuchen, weil ihre
Horizontstruktur
nicht ausreicht, um aktuell relevante Fragestellungen in für sie befriedigender Weise zu strukturieren, wird sogleich verständlich,
     dass auch ihre Fragestellungen |178| selbst meist schon verengt sind. Sie stehen ja auch auf dem Hintergrund einer Horizontstruktur, die sich für sie soeben als
     unzureichend erwiesen hat.
     
    In dem eingangs angeführten Beispiel von der Leiterin einer »sozial-orientierten« Therapieeinrichtung, die durch ihre Arbeit
     gewohnt war, psychische Verstimmungen als Ausdruck frühkindlicher Traumata zu interpretieren, erwies sich eine solche Problemformulierung,
     als sie sie auf ihre eigene Arbeitsunlust anwandte, schnell als zu einseitig. Sie hatte ihr Problem lediglich auf einer individuell-historischen
     Ebene angesiedelt. Dementsprechend trat sie in die Beratung mit der Fragestellung ein: »Was muss ich aus meiner persönlichen
     Geschichte bearbeiten, damit ich wieder mehr Lust an meiner Arbeit bekomme?«
    Im Verlauf umfassender Rekonstruktionen

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