Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung

Titel: Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Schreyoegg
Vom Netzwerk:
ihrer gesamten Arbeitsplatzsituation merkte sie selbst, dass ihre derzeitige Stimmung
     durch eine Vielzahl von Faktoren verursacht war. Im Gegensatz zu ihrer ursprünglich historisierenden Sicht zeigte sich, dass
     einige gravierende Bedingungen aktueller Art für ihre Stimmung maßgeblich waren. Und im Gegensatz zu ihrer ursprünglich individualisierenden
     Interpretation des Problems zeigte sich nun, dass ihre Stimmung auch durch interaktive und sogar Systemphänomene mitbedingt
     war.
    Die Rekonstruktion ergab, dass die von ihr geleitete Einrichtung unter privater Trägerschaft stand, deren Vertreter, allesamt
     Ehrenamtliche, ein »Honoritätenkabinett« bildeten. Dieses verbat sich jede Mitsprache von professionellen Mitarbeitern als
     »Einmischung«. Da aber nun der Kostenträger neue Anforderungen für die Belegung der Einrichtung stellte, fühlte sich die Leiterin
     von allen relevanten Informationen abgeschnitten, denn auch die Verhandlungen mit dem Kostenträger führten die Ehrenamtlichen,
     ohne sie zur Beratung hinzuzuziehen. Die Leiterin bat wiederholt bei der Vorsitzenden um Mitbeteiligung, was diese jedoch
     jedes Mal nur mit einer herablassenden Geste verneinte. Je mehr die Leiterin insistierte, desto herablassender wurde die Haltung
     der Vorgesetzten. Im Zuge dieses Kampfes erlitt die Leiterin auch innerhalb der Einrichtung einen Autoritätsverlust; denn
     sie begann nun, sich laufend über ihre schwierige Situation mit der Trägerschaft zu beklagen. In den Augen der therapeutischen
     Mitarbeiter, die ebenfalls zur Individualisierung von Problemen neigten, erschien sie nun zunehmend als »impotente Jammertante«,
     die es nicht verstehe, sich durchzusetzen, sondern immer andere mit ihren Klagen belästige. Durch diese Entwicklungen war
     das Selbstwertgefühl der Leiterin nun tatsächlich so angeschlagen, dass sie mit einer Reihe psychosomatischer Symptome reagierte.
     Daraufhin definierte sie sich als »psychisch krank«.
    Als das gesamte Problemfeld aufgefächert war, atmete die Leiterin zunächst erleichtert auf, denn nun fühlte sie sich erst
     einmal vom Druck ihrer eigenen Problemdefinition entlastet. Sie merkte nämlich, dass sie selbst mit ihrer psychischen |179| Struktur für die Misere keineswegs allein verantwortlich war. Außerdem wurde es der Leiterin erst durch die breite Rekonstruktion
     möglich, Vorstellungen für veränderte Handlungsstrategien zu entwickeln, welche Aktivitäten sie nämlich starten könnte, um
     das Verhältnis zur Trägerschaft insgesamt und speziell zu der Vorsitzenden zu verbessern. Durch die breite Rekonstruktion
     gewann sie also auch wieder Vertrauen in ihre Handlungskompetenz.
     
    An diesem Beispiel wird deutlich, dass, wie schon
Watzlawick
et al. (1966) postulierten, die spezifische Problemdefinition von Klienten oft selbst zum Problem wird. Aus einer eingeengten
     Sicht des Problemfeldes erleben sie ihre Situation gelegentlich als hochgradig aussichtslos. Dieses Erleben zieht meistens
     eine Reihe weiterer negativer Konsequenzen nach sich. Die Klienten disqualifizieren sich verdeckt oder offen als ohnmächtig
     und handlungsinkompetent. Dies wiederum erzeugt negative Effekte für ihre zwischenmenschlichen Begegnungen. Sie suchen vielfach
     durch Schuldverlagerung auf andere oder durch ständiges Jammern und Lamentieren Entlastung; von ihren Mitmenschen werden sie
     dann aber zunehmend als lästig empfunden. Solche Haltungen begünstigen bei den Betreffenden Erfahrungen von Isolation, wodurch
     die Ohnmachtsgefühle vertieft werden usw. Es handelt sich dann um eine »unendliche Geschichte« von Fehlinterpretationen, die
     in eine nicht enden wollende Spirale von Unglücklichsein und damit verbundenen beruflichen Krisen führt.
    Derartige Spiralen lassen sich nur durch breit angelegte Rekonstruktionen stoppen, in deren Verlauf die Klienten lernen, ihre
     eigenen Interpretationen infrage zu stellen, zu modifizieren und durch andere, möglichst vielfältige, anzureichern. Erst wenn
     es bei Rekonstruktionen gelingt, die Deutungsmuster von Klienten im Hinblick auf ihre aktuelle berufliche Situation aufzudecken,
     lassen sie sich verändern und anreichern. Erst dann sind auch veränderte Handlungsstrategien zu erarbeiten. So bildet qualifizierte
     Rekonstruktionsarbeit die Basis jedes Coaching.

179
    188
    179
    188
    false
2. Die Wirkungen von Coaching
    Coaching strebt Veränderungen an. Wie lassen sie sich aber genau beschreiben, und wie werden sie erzeugt?

Weitere Kostenlose Bücher