Cobra
bessere militärische und taktische Kenntnisse verfügen.«
»Und was ist mit Ihrer Familie?«, fragte Stiggur. » Die braucht Sie.«
Jonny atmete tief durch. »Vor neunundzwanzig Jahren habe ich alles, was ich an Familie hatte, verlassen, um für Menschen zu kämpfen, die ich nicht einmal kannte. Wie kann ich mir auch nur die geringste Chance entgehen lassen, das Leben nicht nur meiner Frau und meiner Kinder zu retten, sondern praktisch das aller Freunde, die ich jemals hatte?«
Stiggur sah ihn lange an. Sein Gesicht verriet nichts von dem, was dahinter vor sich ging. »So ungern ich es auch zugebe, Sie haben vermutlich Recht«, meinte er schließlich. »Ich werde diesem Wrey gegenüber vorschlagen, er solle Sie mitnehmen. Äh … wie es aussieht, habe ich noch eine halbe Stunde bis Capitalia vor mir. In ungefähr einer Stunde müsste ich seine Antwort haben. Bis dahin …« Er zögerte. »Sie sollten Yutu die Organisation hier überlassen und die Geschichte mit Chrys besprechen.«
»Vielen Dank, Brom. Das hatte ich auch vor.«
»Ich melde mich wieder bei Ihnen, sobald ich etwas weiß.« Er nickte, und der Monitor erlosch.
Seufzend reckte Jonny seine rebellierenden Ellenbogen und tippte Yutus Nummer ein.
Sie saßen alle zusammen schweigend im sanft beleuchteten Wohnzimmer, als Jonny sowohl die schlechten Neuigkeiten als auch seine Idee erläuterte, wie er auf diese Krisensituation zu reagieren
gedachte. Und als er nacheinander jeden Einzelnen aus seiner Familie ansah, fielen ihm wie nie zuvor die unterschiedlichen Persönlichkeiten auf, die sich in ihren Gesichtern widerspiegelten. Justin und Joshua, die zusammen auf dem Sofa kauerten, verrieten ungefähr zu gleichen Teilen Angst und bedingungsloses Vertrauen, eine Mischung, die ihn schmerzlich an die Heldenverehrung seiner Schwester Gwen in jungen Jahren erinnerte. Corwin dagegen, dessen Gesicht seine dreizehn Jahre Lügen strafte, war sichtlich um eine Erwachsenenperspektive bemüht, mit der er seine eigenen Angstgefühle überdecken konnte. Genau wie Jame, der auch immer älter gewirkt hatte, als er tatsächlich war. Und Chrys …
Chrys war wie immer. Sie strahlte ein Gefühl stiller Kraft und Unterstützung für ihn aus, und das, obwohl er ihren Augen die Angst vor und den Schmerz über eine dauerhafte Trennung ansah. Dass sie seinen Plan akzeptierte, hatte nichts mit irgendeiner Art von Unterordnung zu tun. Nein, ihr Verstand arbeitete schlicht genauso wie seiner, und sie wusste, wie wichtig es war, es auf einen Versuch ankommen zu lassen.
Er beendete seine Erklärung, und ein paar Augenblicke lang hörte man nur das leise Summen der Klimaanlage. »Wann fliegst du los, Dad?«, fragte Corwin schließlich.
»Wenn ich fliege, dann heute«, antwortete Jonny. »Sie werden aufbrechen wollen, sobald das Schiff aufgetankt ist.«
»Wirst du Almo oder sonst jemanden mitnehmen?«
Jonny musste kurz lächeln. Almo Pyre war der erste Freiwillige gewesen, der D’arls Cobra-Schmiede durchlaufen hatte, und mit seiner glühenden Loyalität Jonny und der gesamten Familie Moreau gegenüber war er für Corwin zum Vorbild geworden. »Ich glaube nicht, dass wir auf dem Rückweg irgendwelche Schwierigkeiten haben werden«, meinte er zu seinem Sohn. »Außerdem, ganz so hilflos ist dein Vater noch nicht.« Er wappnete sich und wandte sich an Chrys. Ihre Treue ihm gegenüber verdiente zumindest, dass sie in gleichem Maß erwidert wurde. »Ich habe euch erklärt, was ich weiß und denke und weshalb ich das
Gefühl habe, ich sollte mitfliegen«, erklärte er ihr. »Aber wenn du, nachdem du dir das angehört hast, der Ansicht bist, ich sollte hierbleiben, dann werde ich das tun.«
Sie lächelte traurig. »Du solltest mich mittlerweile eigentlich besser kenn…«
Das plötzliche Summen des Fons ließ sie alle auffahren. Jonny erhob sich vorsichtig, ging an seinen Schreibtisch und schaltete den Apparat ein. »Ja?«
Es war Stiggur. »Tut mir leid, Jonny, aber nichts drin. Wrey weigert sich standhaft, sein Schiff mit ›nutzlosen Beamten aus den Kolonien‹ vollzustopfen. Zitat Ende.«
Jonny seufzte. »Haben Sie ihm erklärt, wie wichtig es sein könnte?«
»Laut genug, um einen Gantua aufzuschrecken. Er weigert sich ganz einfach, irgendetwas, das auch nur im Geringsten von seinem Befehl abweicht, überhaupt in Erwägung zu ziehen.«
»Dann sollte ich vielleicht selbst noch einmal mit ihm sprechen. Habe ich Ihre Erlaubnis denn noch?«
»Ich denke schon. Aber das Ganze
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