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Cobra

Titel: Cobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Zahn
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blickte durch eines der winzigen Bullaugen zu ihrer Linken hinab, leckte sich über die trockenen Lippen und versuchte, ihr klopfendes Herz zu beruhigen. Jetzt sind wir fast da, sagte sie sich. Fast da. Ihr erster Einsatz als Cobra – ein Ziel, von dem sie ihr halbes Leben geträumt, das ihr halbes Leben ihre Phantasie beschäftigt hatte. Und jetzt, als sie ihm so nahe war, empfand sie nichts als stummes Entsetzen.
    Das wär’s dann also, dachte sie mit leichter Bitterkeit, mit der heldenhaften Cobra-Kriegerin.
    »Bist du vor diesem Trip schon mal geflogen?«, fragte Sun ruhig, der auf dem Platz am Gang neben ihr saß.
    »Ja schon, aber noch nie in einem Raumschiff«, erklärte Jin ihm und löste, dankbar für die Ablenkung, ihre Aufmerksamkeit von dem Bullauge. »Und schon gar nicht über feindlichem Gebiet.«
    Er kicherte in sich hinein, und dieses Kichern überdeckte fast die Nervosität, die sich um seine Augen herum erkennen ließ. »Wir werden unsere Sache gut machen«, beruhigte er sie. »Paraden und Heiligsprechung, schon vergessen?«
    Ein Lächeln durchbrach ganz von selbst ihre Anspannung. »Bestimmt.« Sie langte über die Armlehne und ergriff seine Hand. Sie war fast so kalt wie ihre eigene.
    »Eintritt in die Atmosphäre«, hörte sie den Piloten aus dem rot erleuchteten Cockpit vor der Passagierkabine sagen. »Eintrittswinkel … genau im Zielbereich.«

    Jin biss die Zähne aufeinander. Sie kannte all die Gründe, weshalb sie sich so weit wie möglich antriebslos im Gleitflug annähern mussten – die Helligkeit des Schwerkraftlifts eines Schiffes war extrem weit zu sehen, besonders am Nachthimmel -, doch die unheimliche Stille im Shuttle förderte ihre Nervosität noch. Sie sah wieder aus dem Bullauge und versuchte, sich nicht vorzustellen, dass der Planet ihnen auf Kollisionskurs entgegenraste.
    »Oha!«, murmelte der Pilot.
    »Was ist?«, fuhr Barynson im Sitz hinter ihm auf.
    »Ein Suchradar ist gerade über uns hinweggestrichen.«
    Jins Mund wurde ein wenig trockener, und Sun packte ihre Hand noch fester. »Aber erfassen können sie uns doch nicht, oder?«, fragte Barynson. »Die Trofts haben uns versichert …«
    »Nein, nein, alles in Ordnung«, beruhigte ihn der Pilot. »Ich war nur überrascht, dass sie so weit südlich vom Fruchtbarkeitsbogen suchen, das ist alles.«
    »Sie leiden unter Verfolgungswahn«, murmelte Layn, der gegenüber von Sun auf der anderen Seite des schmalen Ganges saß. »Und was gibt’s sonst Neues?«
    Aber eigentlich dürften sie doch gar nicht mehr so drauf sein, dachte Jin verdrießlich. Das hätten sie doch ablegen sollen, als wir ihnen die Mojos vom Hals geschafft haben. Schließlich hatte man allein aus diesem Grund vor dreißig Jahren überall auf dem Planeten aventinische Stachelleoparden ausgesetzt. Wenn es nicht funktioniert hatte …
    Sie schüttelte den Kopf. Wenn es nicht funktioniert hatte, würden sie das noch früh genug herausfinden. Bis dahin hatte es keinen Sinn, sich darüber den Kopf zu zerbrechen.
    »Paraden und Heiligsprechung«, murmelte Sun, der ihre Gedanken falsch interpretierte. Es half trotzdem, und sie lächelte ihm dankbar zu.
    Die Minuten schleppten sich dahin. Ein seltsames fernes Kreischen von Luft am Rumpf des Shuttles wurde lauter und verhallte dann, und allmählich wurden alle bis auf die strahlendsten
Sterne über ihren Köpfen von der dichter werdenden Atmosphäre ringsum geschluckt. Wenn sie sich gegen ihre Gurte nach oben drückte, konnte Jin grobe Einzelheiten am Boden unter ihnen ausmachen, und in der Ferne hatte der Horizont seine Krümmung verloren. Fünf Minuten, schätzte sie – höchstens zehn -, und sie wären unten. Sie stellte die Zeitschaltung ihres Nanocomputers ein, schloss die Augen, holte tief Luft …
    … und bekam noch durch die geschlossenen Lider hindurch mit, wie die rechte Seite der Passagierkabine plötzlich wie ein Feuerball in Flammen aufging, und eine Wand aus Donnerschlägen sie krachend in ihren Sitz und in völlige Dunkelheit wuchtete.

49
    Als Erstes kam der Schmerz. Kein örtlich lokalisierbarer Schmerz, und anfangs nicht einmal besonders stark – eher wie die vage und unangenehme Erkenntnis, dass irgendwo dort in der Dunkelheit irgendetwas wehtat. Sehr wehtat …
    Ein großer Teil von ihr scherte sich nicht darum. Die Schwärze war still und unkompliziert, und es wäre angenehm gewesen, für immer dort im Verborgenen zu bleiben. Doch der Schmerz war ein stetes Nagen an den Wurzeln dieses Nichts,

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