Cocktail fuer einen Vampir
Wegbeschreibung aufgeschrieben. Als Sam an die Tür klopfte, stopfte ich das Blatt in meine Handtasche. Wir würden im Dunkeln auf einer Farm herumlaufen, da sollte ich meine Handtasche besser im Auto lassen. Ich versicherte mich, dass das Cluviel Dor noch immer in derSeitentasche meines Sommerkleids steckte, und spürte die mittlerweile vertraute runde Form in der Hand.
Sams Miene war grimmig und hart. Wie schrecklich, ihn so zu sehen.
Wir wechselten kein Wort auf dem Weg zur Farm.
Vor dem alten Farmhaus parkten schon unzählige Autos wild durcheinander, als wir eintrafen. Dass es »abseits« lag, war noch freundlich ausgedrückt. Um das Haus herum war sehr viel mehr Land gerodet worden als bei mir, und dennoch bot es mehr Privatsphäre. Hier wohnte keiner mehr ständig. Die Farm hatte Alcides Dad gehört, und Jackson Herveaux hatte sie behalten, nachdem er ins Baugeschäft eingestiegen war, damit er einen Ort für den Auslauf bei Vollmond hatte. Das Rudel hatte das Gelände oft genutzt. Die Front des Hauses war dunkel, aber hinten konnte ich Stimmen hören. Sam und ich stapften durch das hohe Unkraut. Wir sagten kein Wort zueinander.
Wir hätten genauso gut in ein anderes Land gewandert sein können.
Der Rasen hinter dem Haus war gemäht und völlig eben. Ein paar Laternen brannten. An dem Sandplatz in der Nähe wiesen zwei Stangen darauf hin, dass dort sonst ein Volleyballnetz gespannt war. Einige Meter weit weg lag ein Teich, der neu wirkte. Und noch weiter entfernt konnte ich sogar einen Baseballplatz erkennen. Und auf der überdachten Terrasse stand ein Barbecue-Grill. Hier versammelte sich das Rudel bestimmt, um in entspannter Runde gesellig beieinander zu sitzen.
Die große, schweigsame Kandace entdeckte ich zuerst. Sie lächelte mir zu und zeigte zu Alcide hinüber, der unter seinen Leuten genauso hervorstach wie Niall unter dem Elfenvolk. Heute Abend wirkte Alcide wie ein König. EinKönig in Jeans und T-Shirt, ein barfüßiger König. Und er wirkte gefährlich. Er strahlte Machtfülle aus. Die Luft vibrierte geradezu von der magischen Kraft des Rudels.
Prima. Das war genau das, was wir brauchten, noch mehr Spannungen.
Eric leuchtete wie der Mond, bleich und gebieterisch, und es hatte sich ein großer leerer Raum um ihn gebildet. Er war allein. Er hielt mir die Hand hin, und ich ergriff sie, zum kurz aufflackernden Missfallen der Zweigestaltigen.
»Du weißt Bescheid über Jannalynn und Claude?« Ich sah ihn an.
»Ja, ich weiß es. Niall hat mir eine Nachricht gesandt.«
»Er ist weg. Sie sind alle weg.«
»Er schrieb mir, dass ich nie wieder von ihm hören würde.«
Ich nickte und schluckte schwer. Keine weiteren Tränen mehr. »Was wird hier heute Abend passieren?«
»Ich weiß nicht, was wir zu sehen kriegen werden«, sagte er. »Eine Hinrichtung? Ein Duell? Bei Werwölfen ist so was schwer vorauszusagen.«
Sam stand allein unter der Überdachung der Terrasse. Alcide ging zu ihm und sagte etwas, Sam zuckte die Achseln, dann nickte er. Er trat unter der Überdachung hervor und blieb bei Alcide stehen.
Ich sah rundum in die Gesichter der Rudelmitglieder. Sie waren alle unruhig, wegen der Dunkelheit und wegen der in der Luft liegenden Gefahr. Heute Abend würde Blut fließen.
Alcide hob einen Arm, und vier Gestalten wurden aus dem Haus geführt. Sie waren an den Handgelenken gefesselt. Van, Pummelchen, der verbundene Soldat (Laidlaw, so hatte Mustapha ihn genannt) und Jannalynn. Ichhatte keine Ahnung, wo sie sie aufgetrieben hatten, aber ihr Gesicht war zerschunden. Sie musste sich heftig zur Wehr gesetzt haben, was jedoch kein Wunder war.
Dann sah ich Mustapha. Die Dunkelheit hatte ihn völlig aufgesogen, denn er stand in nackter Pracht da. Warren lag im Schatten hinter ihm, hineingekuschelt in einen Liegestuhl. Aber er war so weit weg, dass ich nicht viel von ihm erkennen konnte.
Mustapha hielt ein Schwert in der Hand. Davon gibt’s zurzeit ein paar zu viele in meinem Leben, dachte ich und spürte, wie Erics kalte Hand sich fester um meine schloss.
»Wir sind heute Abend hier zusammengekommen, um ein Urteil zu fällen«, begann Alcide. »In letzter Zeit mussten wir allzu oft Urteile über Mitglieder fällen. Es herrschen Zwietracht und Treulosigkeit im Rudel. Heute Abend fordere ich von allen eine Erneuerung ihres Treueschwurs, und heute Abend lege ich fest, dass ein Bruch dieses Treueschwurs mit dem Tode bestraft wird.«
Die Werwölfe holten einmal scharf Luft, alle zusammen, wie in
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